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ZUR PERSON: „Es gibt hier noch zu viel Leere“

Heike Neumann über ein längst überfälliges Marketing für den Kulturstandort in der Schiffbauergasse

Stand:

Seit über zwei Jahren wird nach einer Lösung für das Marketing des Zentrums für Kunst und Soziokultur in der Schiffbauergasse gesucht. Nun wurden Sie dafür vorgeschlagen. Gleichzeitig haben Sie darauf hingewiesen, dass schnell eine Entscheidung fallen muss, weil Sie andere Angebote haben. Hat die Verwaltung schon reagiert?

Ich bin im engen Kontakt mit der Fachbereichsleiterin für Kultur und Museum, Frau Birgit-Katharine Seemann. Wir treffen uns zu Gesprächen mit den freien Trägern der Schiffbauergasse. Es gab auch Gespräche mit Frau Gabriele Fischer und der Stadtverwaltung, um über die Finanzierung zu sprechen. Denn es ist noch zu klären, wie ich unabhängig von der Stadt und gleichzeitig für die Stadt arbeiten kann. Es gibt Zeichen, dass vieles geprüft wird.

Bis wann muss die Entscheidung der Verwaltung fallen?

Das Signal, dass alles dafür getan wird, damit es klappt, muss im September kommen. Dann könnte ich gleich neben meiner Tätigkeit am Hans Otto Theater mit ersten Vorbereitungen für die Schiffbauergasse beginnen.

Die freien Träger haben sich einstimmig für Sie ausgesprochen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Seit ich hier am Hans Otto Theater die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing leite, habe ich mich an allen Gesprächen, die die Schiffbauergasse betreffen, beteiligt, mich engagiert und mich immer mehr für diesen Standort begeistert. Als ich vor einigen Monaten kurz davor war, ein anderes Angebot anzunehmen und Potsdam zu verlassen, fragten mich die freien Träger, ob ich mir nicht vorstellen könnte, das Marketing für die Schiffbauergasse zu übernehmen.

Und Sie haben „Ja“ gesagt, obwohl gar nicht sicher ist, ob dieses Marketing überhaupt finanziert werden kann?

Ja, weil das mein absoluter Traumjob wäre.

Traumjob?

Ich bin verliebt in diesen Ort. Als ich hier vor etwa drei Jahren zum ersten Mal stand – da war das alles noch eine Baustelle – war ich sofort überwältigt. In Wien und Zürich gibt es vergleichbare Orte. Die kenne ich und bin auch von ihnen begeistert. Die Schiffbauergasse hat Potenziale und Synergien, die meiner Meinung nach bisher kaum oder zu wenig genutzt werden konnten. Hier kann noch so viel passieren.

In den zurückliegenden Jahren ist in Sachen Marketing aber nur wenig passiert. Wo liegen neben der fehlenden Stelle für das Marketing die Probleme?

Zuerst einmal müssen alle Türen weiter geöffnet werden. Bei der Verwaltung des derzeitigen Etats sind noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Ich bin mir sicher, dass es einige Varianten gibt, kreativer damit umzugehen und so zu erreichen, dass alle hier am Standort gemeinsam neue Dinge entwickeln können.

Eine Grundlage für diese Möglichkeit sehen Sie in der schon angesprochenen Unabhängigkeit des Marketings?

Genau. Wenn ich jetzt jeden Betrag, den ich brauche, zuerst beim Beauftragten für den Kulturstandort Schiffbauergasse, Herrn Martin Schmidt-Roßleben, oder bei der Stadt beantragen muss, scheint mir eine oft notwendige Spontanität ausgeschlossen zu sein. Unabhängigkeit heißt ja nicht, dass man sich nicht verbindlich abspricht. Ich brauche einen Sockelbetrag zur freien Verfügung und die Entscheidungskompetenz, wofür das Geld ausgegeben werden soll. Die Transparenz der Etatverwaltung muss selbstverständlich gesichert sein.

Ist der bisher seitens der Stadt eingestellte Etat von 90 000 Euro für ein vernünftiges Kulturmarketing ausreichend?

Nein, auf keinen Fall. Ich traue mir zu, dass ich diese Summe durch Einwerben von Sponsorengeldern verdoppeln kann. Dafür müssen aber alle Voraussetzungen stimmen. Zudem braucht es auch eine Perspektive, um professionell arbeiten zu können.

Würde dann der doppelte Betrag ausreichen?

Nein, immer noch nicht. Um einen solchen Standort wirklich gut vermarkten zu können, wären 500 000 Euro nötig. Um es relativ gut machen zu können, etwa die Hälfte.

Die Verwaltung ist bei einer Entscheidungsfindung oft auf entsprechende Konzepte fixiert. Haben Sie ein entsprechendes Marketingkonzept für die Schiffbauergasse erstellt?

Es gibt mittlerweile richtig gute Konzepte, mit denen ich vertraut bin. Meines habe ich bereits vorgestellt. Aus dem Vorhandenen muss bis September ein beschlussfertiges Konzept verfasst werden.

Wenn die Entscheidung für Sie fallen sollte und die Finanzierung stimmt, was wären die ersten und dringendsten Aufgaben?

Zuerst würde ich die Kommunikation zwischen allen Beteiligten verbessern, eine wöchentliche Gesprächsrunde einberufen. Vorerst mit den Kulturanbietern und den Gewerbetreibenden getrennt. Ich würde den „Ist-Stand“ herausarbeiten wollen, dann die jeweiligen Bedürfnisse klar herausstellen und relativ schnell Marketingmethoden entwickeln, die das Gemeinschaftsgefühl der auf dem Gelände der Schiffbauergasse Arbeitenden erst nach innen, unter uns, und dann auch nach draußen sichtbar transportieren.

Was für Marketingmethoden wären das?

Erst einmal die Sichtbarkeit in der Innenstadt zu erhöhen. Zum Beispiel kleine und große Aufkleber mit dem Logo der Schiffbauergasse verbreiten und öffentliche Orte wie Schaufenster nutzen. Orte in der Stadt finden, an denen alle Produkte, Programmhefte und Werbebroschüren ausliegen. Ganz einfache Sachen, die aber wirken. Dann würde ich versuchen, die potentiellen Sponsoren mit den Künstlern hier am Standort an einen Tisch zu bringen, um gemeinsam neue Räume und Möglichkeiten zu entdecken, an denen das alte Flair der Schiffbauergasse weiterleben oder aber untergehen und Neues entstehen kann.

Das sind Aktionen, die sich nur auf Potsdam beziehen. Wie wollen Sie die Schiffbauergasse und ihre Angebote außerhalb der Stadt besser bekannt machen?

Natürlich ist der Versuch, mit der Schiffbauergasse auch international bekannt zu werden, sehr zu begrüßen. Zunächst einmal muss es aber darum gehen, den Standort einladender zu gestalten, damit man als Besucher gern auf diesem Gelände bleibt. Es gibt hier noch zu viel Leere. Der Ort muss schöner werden, damit man sich hier wohl fühlt. Ein vernünftiges Lichtkonzept muss her. Ich könnte mir auch überall auf dem Gelände Liegestühle vorstellen, die einfach zum Verweilen einladen. Wir müssen erst eine Strahlkraft entwickeln, wenn wir auf andere wirken wollen.

Die Schiffbauergasse hat zwar genug Kulturangebote, aber sonst fehlt es an Leben?

Vor kurzem saß ich mit dem zukünftigen Intendanten des Hans Otto Theaters, Tobias Wellemeyer, beim Italiener an der Zichorienmühle und gegen 23.30 Uhr waren wir hier die einzigen Gäste. Seither sprechen wir ab und zu darüber, wie man an den Standort mehr Leben bringen könnte. Auch er hat viele gute Ideen.

Aber es gibt doch Abende, an denen hier was los ist?

Ja, als die Oppenheim-Weeks in der Galerie Kunstraum eröffnet wurden und gleichzeitig im T-Werk die lange Nacht der freien Theater stattfand, ging es sehr lebendig am Standort zu. Genial! Künstler aus Berlin, die gekommen waren, zeigten sich total begeistert und sagten, dass wir diesen Ort in Berlin viel bekannter machen müssten. Leider finden solche Abende aber nur alle halbe Jahre statt. Das muss viel regelmäßiger passieren.

Sind solche Marketingaufgaben auf lange Sicht überhaupt von nur einer Person zu leisten?

Wenn man diesen Job richtig machen will, braucht es mindestens einen Profi, der schon länger im Geschäft ist und mindestens einen Assistenten. Ich bin natürlich bereit, das zuerst allein zu beginnen. Perspektivisch ist aber eine zweite Stelle notwendig.

Wann wäre mit den ersten Erfolgen Ihrer Arbeit zu rechnen?

Der Erfolg des Marketings ließe sich nach vier bis fünf Jahren messen. Man kann sich schon nach zwei Jahren fragen, was besser läuft und was nicht. Aber richtige Ergebnisse wird es erst nach vier bis fünf Jahren geben.

Sie wollen schon im September mit Ihrer Arbeit beginnen. Abgesehen von den anderen Angeboten, die Ihnen vorliegen, warum diese Eile?

Die Europäische Union, das Land und die Stadt haben in den Standort investiert, aber es werden die Möglichkeiten und Notwendigkeiten eines Marketings unterschätzt. Um die Berliner und die Gäste, die wegen Sanssouci nach Potsdam kommen, in die Schiffbauergasse zu locken, braucht es Geld und mindestens eine Stelle. Wenn hier nicht bald was passiert, verläuft das im Sand. Man kann nicht Millionen in die Sanierung der Gebäude der Schiffbauergasse stecken und dann glauben, das Publikum kommt von allein. Hier muss dringend auf anderer Ebene weitergearbeitet werden. Das ist bisher, jedenfalls auf der Marketingebene, einfach nicht zu Ende gedacht.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Heike Neumann, 1963 in Berlin geboren, leitet seit 2005 die Abteilungen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Marketing am Hans Otto Theater in der Schiffbauergasse.

Heike Neumann studierte von 1982 bis 84 Literaturwissenschaften in Berlin. Nebenbei arbeitete sie als Kostümbildassistentin an der Berliner Schaubühne. 1984 ging sie nach Monheim am Rhein um sich dort bis 1987 am Dietrich-Langen-Institut zur Tanztherapeutin ausbilden zu lassen. Von 1988 bis 1997 folgte ein Studium der Psychologie, mit den Schwerpunkten Kunst-, Kultur- und Organisationspsychologie in Bremen.

Von 1992 bis 93 leitete Heike Neumann die Veranstaltung „200 Jahre Theater in Bremen – eine Theaterreise“, danach war sie Referentin des Generalintendanten vom Bremer Theater, Hans-Günther Heyme, während dessen einjähriger Intendanz. Danach leitete Heike Neumann am Theater in Heilbronn und in Freiburg und an den Münchener Kammerspielen die Pressearbeit.

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