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Von Heike Kampe: „Es gibt noch viel zu tun“

Das Autonome Frauenzentrum Potsdam feiert sein 20-jähriges Jubiläum

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Im Haus herrscht gerade Betrieb: Sektgläser klirren, auf dem Buffet stehen Streuselkuchen und Häppchen bereit, Musik erklingt. „Wir haben heute Jubiläumsfrühstück mit Ausstellungseröffnung“, erklärt die Geschäftsführerin des Autonomen Frauenzentrums Potsdam, Heiderose Gerber. An den Wänden hängen zarte Zeichnungen und kräftige Malereien der Potsdamer Künstlerin Carmen Khalil. Ihnen allen ist eines gemeinsam: Die Weiblichkeit steht im Mittelpunkt.

Seit nunmehr 20 Jahren bietet das Autonome Frauenzentrum Potsdam ein kulturelles, aber auch ein soziales Forum für Frauen. Literatursalon, Theaterabende, Konzerte und Bildungsangebote gehören ebenso dazu wie die Beratungsstelle, das Frauenhaus, die Zufluchtswohnung oder der Mädchentreff „Zimtzicken“. Am heutigen Freitag wird ab 18 Uhr in der Französischen Kirche gefeiert.

Alles begann im Wendeherbst 1989 mit einem Aufruf Potsdamer Frauen, der – an Bäume gepinnt und auf Kundgebungen verteilt – zu einem ersten Treffen einlud. Die Resonanz war überwältigend, etwa 100 Frauen folgten dem Aufruf. Heiderose Gerber war von Anfang an dabei. „Es war eine verrückte Zeit voller Veränderungen. Die Frauen wollten sich in die neue öffentliche Entwicklung einbringen, sie wollten, dass ihre Lebenswirklichkeit sichtbar wird“, erinnert sie sich. Auch viele Ängste hätte es bei den Frauen gegeben. Etwa, ob es in Zukunft noch genügend Kindergartenplätze geben würde. Andere Frauen kamen, weil sie sich im „verordneten DDR-Frauenbild nicht wiederfanden“, so Gerber.

Bereits beim ersten Treffen machten die Frauen Nägel mit Köpfen. Sie bildeten Arbeitsgruppen, schmiedeten Pläne, erarbeiteten Konzepte. Wenig später wurde der Verein „Autonomes Frauenzentrum Potsdam e. V.“ gegründet und mit der Stadt um Räumlichkeiten verhandelt. Dem Verein wurde das Gebäude in der Zeppelinstraße 189, das bis heute das Domizil des Frauenzentrums ist, zur Verfügung gestellt. „Die ersten Monate haben wir nur geputzt und entrümpelt“, erzählt Heiderose Gerber. Einen funktionierenden Heizungsanschluss gab es nicht. Doch nach vielen Arbeitsstunden nahm das Frauenzentrum Gestalt an, ein Frauencafé entstand. Frauen unterschiedlichen Berufs und Alters kamen miteinander ins Gespräch und nutzten das Gebäude als kulturellen Treffpunkt.

Doch schon bald wurde klar, dass es nicht allein bei den kulturellen und politischen Angeboten bleiben würde. „Viele Probleme wurden in der DDR unter den Tisch gekehrt. Dazu zählte auch die Gewalt gegen Frauen“, berichtet Heiderose Gerber. „Die ersten Schutz suchenden Frauen standen schon wenige Monate nach dem Bezug des Hauses vor der Tür.“

1991 wurde daher das Frauenhaus gegründet, in dem von Gewalt bedrohte Frauen Zuflucht fanden. Drei Jahre später wurde die Beratungsstelle für Frauen und Mädchen eröffnet. Etwa 90 Prozent der 145 Frauen und Mädchen, die allein im vergangenen Jahr die Beratungsstelle aufsuchten, kamen aufgrund aktueller oder zurückliegender Gewalterfahrungen. Seit Bestehen des Angebotes wurden etwa 2500 Frauen in mehr als 13 000 Gesprächen beraten. Dass die Bedrohung von Frauen durch männliche Gewalttäter nach wie vor ein akutes Problem ist, zeigen auch die Zahlen aus dem Frauenhaus: Im Jahr 2009 fanden 37 Frauen und 30 Kinder hier Hilfe in geschützten Räumen, 14 weitere Frauen und sieben Kinder nahmen die Zufluchtswohnung in Anspruch. „Jede Frau, die aus solchen Gründen zu uns kommt, finde ich ausgesprochen bewundernswert“, sagt Heiderose Gerber. Denn vor dem Schritt ins Frauenhaus stehe das Eingeständnis des Scheiterns. Dazu gehöre sehr viel Mut, so Gerber.

Der Bedarf an Hilfsangeboten ist groß, doch alle Frauen werden nicht erreicht. „Die Personalausstattung reicht nicht“, so Heiderose Gerber. „Wir bräuchten dringend eine neue Stelle im Frauenhaus“, sagt Elke Liebs, die seit 2005 Vorstandsfrau des Frauenzentrums ist. Um die traumatisierten Kinder, die mit den Frauen kämen, kümmere sich eine Sozialarbeiterin, die lediglich über eine halbe Stelle durch das Jugendamt der Stadt finanziert sei. Das reiche bei weitem nicht aus. „Diese Arbeit, die hier getan wird, müsste für eine Landeshauptstadt oberste Priorität haben“, ergänzt Elke Liebs.

Der Wunsch nach mehr öffentlicher Anerkennung ist bei den Mitarbeiterinnen des Frauenzentrums groß. Doch die erreichten Erfolge und die Dankbarkeit der Frauen motivieren täglich zum Weitermachen. „Es ist einfach schön, wenn man das Selbstbewusstsein von Frauen wachsen sieht“, sagt Gerber. „Wir sind ein relativ kleiner Verein, der aber viele Bereiche aufgebaut hat. Und wir haben uns nicht irritieren lassen und zusammen immer weitergemacht“. Auch wenn sie nicht selten zu hören bekämen, dass Frauen heutzutage doch nicht mehr gefördert werden müssten.

In nächster Zukunft steht dem Frauenzentrum ein weiterer Kraftakt bevor: Der Umzug in ein neues Haus muss bei laufendem Betrieb gemeistert werden, da das jetzige Vereinshaus saniert wird. Derzeit gibt es noch keine neuen Räume für den Vorstand und die Geschäftsführung. Auch das Kulturprojekt primaDonna sucht händeringend nach neuen Räumlichkeiten.

Im Flur des Frauenzentrums hängt ein A4-Ausdruck eines Plakats. Es zeigt die Aufsichtsratsvorsitzenden der 30 DAX-Unternehmen. Es sind 29 Männer und eine Frau. „Solche Bilder sagen mehr als tausend Worte“, sagt Heiderose Gerber. „Wir haben noch viel zu tun“, fügt sie lachend hinzu.

Das Autonome Frauenzentrum Potsdam im Internet: www.frauenzentrum-potsdam.de

Heike Kampe

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