Homepage: Es gibt sie noch, die Großen
Eindrücke von der sechsten Praktikanten- und Absolventenmesse „Uni trifft Wirtschaft“
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Eindrücke von der sechsten Praktikanten- und Absolventenmesse „Uni trifft Wirtschaft“ Von Jan Kixmüller 10.56 Uhr. In vier Minuten wird die sechste Praktikanten- und Absolventenmesse der Universität Potsdam eröffnet. An der „Job-Wall“, einer Pinnwand im großen Saal am Campus Griebnitzsee hängen am Mittwochvormittag drei Zettel. Ein Veranstaltungstipp von der Agentur für Arbeit, und zwei konkrete Praktika-Angebote – Unternehmensberatung und Neue Medien. An den Ständen der zum sechsten Mal von Studenten für Studenten organisierten Messe „Uni trifft Wirtschaft“ (UTW) wird noch eifrig aufgebaut, hier ein Laptop angeschlossen und da ein Plakat aufgezogen. Die Slogans sprechen für sich. „Bestimmen Sie ihre Karriere“ (KPMG) wird von „Das Highlight für die Karriere“ (Ernst & Young) getoppt, der neue Career-Service der Uni Potsdam setzt ein vielversprechendes „Futter für den Kopf“ dagegen, während sich Oracle mit einen schlicht und ergreifenden „oracle.com/de“ begnügt. Hier kann man Kontakte knüpfen, die für die Zeit nach dem Studium wichtig werden könnten. Schon seine Eltern hätten ihm mit auf den Weg gegeben, dass „Beziehungen denen schaden, die sie nicht haben“, sagt der neue Staatssekretär des Wissenschaftsministerium, Markus Karp. Zur Eröffnung der Messe spricht er von der Verknüpfung von Wirtschaft und Wissenschaft und von der Bedeutung der engen Kooperation von Potsdam und Berlin – zur abgeblasenen Länderfusion aber kein Wort. Mittlerweile schwillt der Gesprächspegel im Saal an. Prof. Dieter Wagner von der Universität muss fast schon gegen das Gemurmel anschreien. „Ein Hintergrundsummen wie im Bienenhaus“, freut er sich. Die Messe hat sich selbst eröffnet. Später, im Gespräch, äußert sich der Fachmann für BWL und Personalwesen besorgt über die wirtschaftliche Situation im Lande. Zwar sei positiv, dass zunehmend Firmen aus dem elektronischen Bereich ihren Weg zu UTW finden, auch die Beraterfirmen seien jedes Jahr vertreten. „Doch die großen, etablierten Unternehmen fehlen“, so Wagner. „Die wissen derzeit nicht, wie es weiter geht“. Aus Potsdam kämen heute Absolventen mit besten Noten und reichlich Auslandserfahrung: „Trotzdem haben sie große Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt unterzukommen“. In der Region Berlin-Brandenburg ist es besonders schlecht, doch mittlerweile, so Wagner, würde es auch in ehemaligen Boom-Regionen imWesten mau aussehen. Auch Tanya Todorova vom UTW-Team weiß von der schlechten Lage. Schwer sei es gewesen, Sponsoren zu finden. Und kleine Unternehmen hätten oft nicht ausreichend Personal, um auf der Messe präsent zu sein. Szenenwechsel. Der Vortrag von eBay ist nicht besonders gut besucht. Was nicht viel zu heißen hat. Denn hier ist er nun, der Boom, den die großen vermissen. 125 Millionen registrierte Nutzer weltweit, im dritten Quartal dieses Jahres acht Milliarden Dollar Handelsvolumen, alle drei Minuten wird in Deutschland ein Auto bei der Internetplattform verkauft, alle 14 Sekunden ein Handy. In Deutschland gibt es heute rund 10 000 Menschen, die maßgeblich von ihren Geschäften bei eBay leben. Der Markt verlagert sich ins Individualgschäft. Jede Generation hat sein Geschäftsmodell, sagt der Vertreter von eBay. Früher war es Microsoft heute ist es eBay. „Wir sind gespannt wo es noch hingeht“, sagt er. Am Stand von eBay ist derweil einiges los. Eine der Mitarbeiterinnen sucht händeringend einen Kopierer, das Interesse an den Praktika ist so groß, dass die Infoblätter schon mittags vergriffen sind. Ein Praktikum lohnt sich hier. Man verdient gleich 1000 Euro im Monat, und wer sich bewährt, hat die Chance zum Einstieg in die Firma. „Für Juniorpositionen derzeit der einzige Weg ins Haus“, wird erklärt. Die Praktikanten bekommen sofort eigene Projekte an die Hand, etwa im Marketing oder bei den Anzeigen. Mittlerweile schieben die ersten Studenten mit prall gefüllten Stoffbeuteln durch den Saal: Mousepads, Notizblöcke, Kulis und was es sonst noch alles an Werbeartikeln gibt. Und natürlich die Bewerbungsunterlagen der Firmen. Zwischen den Messeständen stehen zwei Studentinnen etwas ratlos herum. Jenny (21) und Steffi (23) studieren im ersten Semester Verwaltungswissenschaften. Sie beratschlagen gerade, ob das richtig ist. „Die Wirtschaft mag uns nicht, das wurde uns teilweise sogar ins Gesicht gesagt“, erzählt Jenny. „Deprimierend“, so ihre Kommilitonin. Nun wollen sie es bei eBay versuchen, die wollen nicht nur BWLer. In Raum 231 dann das nächste Erfolgsmodell: Oracle. Seit kurzem gibt es eine Zweigstelle mit 110 Mitarbeitern in Potsdam. Dienstleister für Datenbank, IT und Software, 41 000 Mitarbeiter weltweit, 10 Milliarden Dollar Umsatz. Es gibt sie also doch noch, die Großen. Aber auch hier ist bekannt, dass man zunehmend mit kleinen Firmen zu tun hat. Ein Trend, den man zu nutzen weiß. Ole Johannsen lag angeheitert am Strand, Urlaub nach dem Studium. Da klingelte das Handy – und er war engagiert. Heute ist er bei Oracle Channel-Manager. Das beste was ihm passieren konnte, sagt er. Die amerikanische Firmenphilosophie ist seine Sache: „Wenn der Kunde erfolgreich ist, bist du auch erfolgreich“. Die Angestellten bei Oracle arbeiten wie Unternehmer, wenn sie einen guten Schnitt machen, wirkt sich das auf ihr Gehalt aus. Man muss sich selbst motivieren können, sagt der 29-Jährige. „Sonst landet man in die unteren Fischereibehörde“. 13.55 Uhr. An der Job-Wall hängen drei neue Angebote. Jenny und Steffi sind weg. Die Philosophin, die vorhin bei der Präsentation von eBay saß, hat nichts erreicht: „Nicht mein Fall.“ Die anderen gehen zu Gallup: „Forschungsbasierte Unternehmensberatung zur Optimierung von Humankapital.“ Da tut sich was.
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