
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Es kommt keine Ware mehr
Räumungsverkauf und Tränen: Schlecker schließt Filialen in Groß Glienicke und in der Zeppelinstraße
Stand:
Keine Flecken, keine Schlieren. In den Schaufensterscheiben an der Schlecker-Filiale in Groß Glienicke spiegeln sich die Sonderangebotsschilder. „Wir haben die Scheiben am Dienstag erst geputzt“, erzählt die 56-jährige Verkäuferin Susanne Leibholt. Einen Tag danach steht die Frau mit den kurzen blonden Haaren, die eigentlich anders heißt, verloren zwischen den Regalen, in denen die Lücken mit jedem Kunden größer werden. Leibholt zuckt mit den Schultern. Die Putzarbeit war umsonst, neue Ware gibt es nicht. Als am Dienstagabend – die Putzlappen waren gerade verstaut – das Fax im Hinterzimmer der Drogerie zu rattern begann, war das Ende besiegelt: Am 24. März muss Leibholt den Laden räumen.
Der insolvente Drogerie-Konzern Schlecker will zwei seiner insgesamt elf Filialen in Potsdam schließen. Betroffen sind die Geschäfte in Groß Glienicke und in der Zeppelinstraße. Das geht aus einer Liste hervor, die das Unternehmen am Mittwoch auf seiner Internetseite veröffentlicht hat.
„Ich bin mit dem Laden verwandt, das ist mein Leben“, sagt Verkäuferin Leibholt. Seit 13 Jahren arbeitet sie in der Filiale in der Dorfstraße. Man kennt sich dort. Die Menschen schätzten die Beratung, ein nettes Wort, sagt Leibholt. „Hier hätte keiner gedacht, das es bald vorbei ist.“
Für Rentnerin Elsa Retzer ist die Räumung ein Schock. Am Mittwochmorgen hatte sie noch im Radio aufmerksam die Nachrichten von der Schlecker-Insolvenz verfolgt. Davon, dass auch Groß Glienicke geschlossen werden sollte, war nicht die Rede. Mit einem Lächeln hatte sie Leibholt im Laden begrüßt. Lange hielt es nicht. „Ach du großer Gott“, flüstert die Rentnerin. „Und ich hatte mich schon gefreut.“ Seit sie in Groß Glienicke wohne, fahre sie jede Woche mit dem Fahrrad zu Schlecker. „Ich habe hier alles gekauft.“ Bürsten, Waschpulver, Cremes, zählt sie auf. „Soll ich jetzt nach Potsdam gurken?“, fragt Retzer. Die zwei Supermärkte in Groß Glienicke könnten nicht alles bieten. „Ein Drogeriemarkt gehört einfach dazu. Warum hat man das so entschieden?“, fragt Retzer. Leibholt weiß keine Antwort.
Dabei hatten die drei Schlecker-Verkäuferinnen zuletzt Hoffnung geschöpft, sagt Leibholt. Im Februar kam endlich wieder mehr Ware an. „Wir haben gedacht, es geht aufwärts.“ Wie es für die Angestellten weitergeht, weiß Leibholt nicht. „Ich bin 56 Jahre alt, meine Kollegin ist 53. Wir können keinen Blumentopf mehr gewinnen.“ Die Potsdamer Linke hat Unterstützung angekündigt, auch die Gewerkschaft Verdi setzt sich ein. „Es würde helfen, wenn Angela Merkel uns einen Ehrensold überweist“, sagt Leibholt und lacht. Es ist das erste Mal an diesem Tag. Dann kassiert sie drei Dosen Gesichtscreme von Elsa Retzer ab. Es gibt 30 Prozent Rabatt auf alle Waren. Zum Schluss ein freundliches Wort: „Tschüss, Dankeschön und bis“ – Leibholt lässt eine nachdenkliche Pause – „ein andernmal“. Tobias Reichelt
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: