Landeshauptstadt: „Es wird produziert, was gefördert wird“
Die Entscheidungen aus Brüssel bestimmen das Leben und die Arbeit der Potsdamer Landwirte. Sie richten sich nach Quoten und Prämien aus den EU-Förderprogrammen. Das soll sich nun ändern.
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Die Entscheidungen aus Brüssel bestimmen das Leben und die Arbeit der Potsdamer Landwirte. Sie richten sich nach Quoten und Prämien aus den EU-Förderprogrammen. Das soll sich nun ändern. Noch vor der EU-Osterweiterung am 1. Mai haben die PNN die Europäische Union (EU) in Potsdam aufgespürt. Seit Jahren bestimmen Entscheidungen und Gelder aus Brüssel das Leben der Potsdamer vielfältig mit. Die EU steckt in Potsdamer Straßen, kulturellen Projekten, in Wissenschaft und Bildung, in Unternehmen und Arbeitsplätzen. In Kooperation mit der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) stellen die PNN einige Projekte vor. Heute: EU-Gelder für Potsdams Landwirte. Von Michael Kaczmarek „Verflixte Bürokratie. Eigentlich sollten Landwirte auf dem Feld arbeiten und nicht die Zeit im Büro verbringen.“ Ernst Ruden Senior sitzt an seinem Schreibtisch und zieht einen dicken Ordner aus dem Regal. 53 Seiten umfasst der EU-Förderantrag, weitere 21 Seiten listen akribisch auf, auf welchen Flurstücken er welche Produkte anbaut. „Das ist die Grundlage der Förderung.“ Die Bürokratie ist lästig, doch Ruden weiß: Ohne Ausgleichszahlungen aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds geht bei Potsdams Landwirten nichts. „Wir wären sonst gar nicht lebensfähig.“ Mit den Preisen, zu denen landwirtschaftliche Produkte verkauft werden, könnten nicht mal die Kosten für Saatgut, Pachten, für die Bestellung der Felder und für die Ernte gedeckt werden. Der Fahrländer Landwirt hat sich, wie viele Brandenburger Bauern, auf den Anbau von Roggen spezialisiert. Die 36 Doppelzentner des Getreides, die er pro Hektar produzierte, verkaufte er im vergangenen Jahr für 324 Euro. Von der EU gab es 284 Euro pro Hektar dazu. Es ist zeitaufwendig, bei den Förderprogrammen auf dem neuesten Stand zu bleiben. Doch bei Rudens herrscht Arbeitsteilung. Während sich Rudens Sohn, der ebenso wie der Enkel auch Ernst heißt, auf die landwirtschaftliche Arbeit konzentriert, hält ihm sein Vater mit der Büroarbeit den Rücken frei. Er muss im Blick haben, welche Förderprogramme der Betrieb nutzen könnte, um seine Einnahmen zu halten. „Es ist schlimm. Es wird produziert, wo es die meisten Fördergelder gibt.“ Das Ergebnis seien Überproduktionen, die auch extrem negative Folgen haben können. „Deshalb bleiben wir doch auf den Fleischbergen sitzen, die uns BSE bescheren.“ Bisher hängen die EU-Prämienzahlungen an die Landwirte davon ab, was sie auf ihren Feldern anbauen, welche und wie viele Tiere sie halten. Die sinkenden Weltmarktpreise für bestimmte landwirtschaftliche Produkte werden dabei mit EU-Geldern ausgeglichen. Allerdings schafften die Ausgleichszahlungen Anreize, genau diese Produkte verstärkt zu produzieren, was wiederum diese Situation weiter verschärfte: Die Überproduktion stieg an, die Produkte wurden vom Staat aufgekauft und konnten nur stark subventioniert auf dem Weltmarkt abgesetzt werden. Ab 2005 werden die Direktzahlungen nun „entkoppelt“. Der Landwirt bekommt seine Prämie dann für seine Anbaufläche, unabhängig davon, was er produziert. Wer zum Beispiel auf seinem Acker Kartoffeln anbaute, bekam von der EU nichts. Das wird sich ändern. Auch werden sich mit der Reform die Prämienansprüche der Landwirte umverteilen: Einige werden profitieren, manche bekommen weniger. Zu letzteren Gruppe werden nach vorläufigen Berechnungen des Landwirtschaftsministeriums vor allem die Bullenmäster gehören. Für alle Landwirte gilt, dass sie sich mit den neuen Prämienregelungen insgesamt stärker am Markt orientieren müssen. Brandenburg wird als Roggenanbaugebiet zudem die neue EU-Vorgabe treffen, wonach den Landwirten bereits ab diesem Jahr kein staatlicher Mindestpreis mehr für den Roggen garantiert wird. Um den Wegfall dieser Bundesbeihilfen abzufedern, bekommt Deutschland 20 Millionen Euro von der EU. Davon wird etwa ein Drittel nach Brandenburg fließen. „Wir werden dieses Geld höchstwahrscheinlich für benachteiligte Gebiete einsetzen“, erklärt Karlheinz-Großkopf vom brandenburgischen Landwirtschaftsministerium. Auch die anstehende EU-Osterweiterung ist für die Landwirte ein wichtiges Thema. Der Markt für landwirtschaftliche Produkte wird größer, ebenso wie die Anbaufläche. „Die ist in Deutschland und in Europa viel zu groß“, sagt Ruden. Da die Produktivität ständig steige, seien weniger Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln nötig. „Es muss endlich darüber nachgedacht werden, wie unnötige Ackerflächen ökologisch sinnvoll genutzt werden könnten.“ Es müsse stärker auf nachwachsende Rohstoffe, wie z.B. Raps, zur Energiegewinnung gesetzt werden.
Michael Kaczmarek
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