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Leben im Asylbewerberheim. Zahirat Jusinov und seine Familie, die aus Mazedonien nach Potsdam kamen.

© Rebecca F. Miller

Landeshauptstadt: „Etwas mehr leisten können“

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Asylbewerberleistungen löst Freude aus

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Am Schlaatz - Große Freude herrscht derzeit bei Potsdams Asylbewerbern. Der Grund: Am Mittwoch hat das Bundesverfassungsgericht die bisherige monatliche Pauschale für den Lebensunterhalt der Flüchtlinge für verfassungswidrig erklärt und die Bezüge in einem ersten Schritt von 222 auf 336 Euro je Asylbewerber erhöht.

Zahirat Jusinov ist einer der Bewohner im Asylbewerberheim Am Nuthetal, das vom Diakonischen Werk geführt wird. Zusammen lebt er hier mit seiner Frau und seinen drei Kindern auf knapp 50 Quadratmetern in einer kleinen Wohnung, nachdem sie vor zwei Jahren aus Mazedonien geflohen sind. Die gute Nachricht hätte ihnen die Kinderbetreuerin überbracht. „Genaue Informationen haben wir noch nicht, wir wissen nur, dass es mehr Geld gibt“, so Jusinov. So wie sie seien alle Bewohner des Asylbewerberheims glücklich über eine größere finanzielle Unterstützung. In Mazedonien habe das Geld trotz Arbeit schließlich nie gereicht. „Mit der Erhöhung können wir uns jetzt etwas mehr leisten, vielleicht mal ein Eis für die Kinder oder ein neues Spielzeug“, freut sich der 30-jährige Familienvater. Aber den Hauptteil ihres Geldes spart die Familie, um sich in Deutschland eine eigene kleine Wohnung leisten zu können. Um weiter hier zu bleiben, braucht Jusinov jedoch erst einmal Arbeit. Er wolle sich nicht damit abfinden, von dem Geld anderer Leute zu leben, sagt er: „Statt mehr Geld als Asylbewerber hätte ich lieber die Möglichkeit zu arbeiten.“

Oberbürgermeister Jann Jakobs verwies in einer Erklärung darauf, dass die Leistungen für Asylbewerber seit 1993 unverändert geblieben seien, obwohl das Preisniveau in Deutschland seitdem um 30 Prozent stieg. Daher begrüße Jakobs die Entscheidung des Verfassungsgerichts, die Leistungen für Asylbewerber „dem menschenwürdigen Existenzminimum anzupassen“.

Auch Anke Latacz-Blume, zuständige Fachbereichsleiterin für Soziales in der Stadtverwaltung, wertete das Urteil des Verfassungsgerichts als „freudiges Ereignis“. Zugleich verwies sie darauf, dass die Stadt Potsdam bereits weit mehr für die derzeit 211 Asylbewerber in der Stadt tue, als notwendig sei. So würden die Kinder von Asylbewerbern auch vom 2011 verabschiedeten Teilhabepaket der Bundesregierung profitieren, „obwohl es das Gesetz nicht vorsieht“. Das betreffe beispielsweise kostenloses Mittagessen, die Teilnahme an Kulturveranstalltungen, Schulausflügen oder Klassenfahrten sowie Leistungen zur Nachhilfe im Unterricht. Außerdem würden schwangere Asylbewerberinnen über Leistungen der Sozialhilfe unterstützt. Diese Kosten müssten von der Stadt getragen werden, „weil diese Leistungen über den gesetzlichen Rahmen hinausgehen“. Latacz-Blume versicherte, dass die Stadt auch nach dem Urteil der Verfassungsgerichts zu diesen zusätzlichen Leistungen stehe. Dies bedeute, dass die jetzt veranlassten höheren Pauschalen den Asylbewerbern in Potsdam „voll zugute kommen werden“. Es werde keine Verrechnung mit bisherigen Zusatzleistungen stattfinden. Die stellvertretende Sozialbeigeordnete verwies zugleich darauf, dass es in Potsdam schon seit Jahren Praxis sei, die Asylbewerber mit Bargeld auszustatten und auf die vielerorts noch ausgereichten Bezugsscheine zu verzichten.

Sowohl Jakobs wie auch Latacz-Blume appellierten an das Land, für die Mehrkosten aus der Gerichtsentscheidung aufzukommen. Vom Sozialministerium kamen gestern positive Signale. Die entsprechende Landesverordnung solle „so schnell wie möglich“ an die neuen Regelsätze angepasst werden, erklärte Ministeriumssprecher Gabriel Hesse.

Daniela Guhde, Michael Erbach

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