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Eulenzähler. Helmut Schmidt mit einer Schleiereule in der Biesenbrower Kirche.

© lbn

Von Anja Sokolow: „Eulenvater der Uckermark“

Naturschützer Helmut Schmidt klettert seit 25 Jahren auf Kirchböden und zählt Schleiereulen

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Biesenbrow ­ „Es ist kein einfaches Geschäft, das wird gefährlich“, warnt Helmut Schmidt, bevor er auf den Boden der Dorfkirche in Biesenbrow (Uckermark) klettert. Die alten Holzlatten knarren, durch die Zwischenräume ist in der Tiefe das Kirchenschiff erkennbar. Vorsichtig steuert der Rentner einen hölzernen Munitionskasten am Kirchgiebel an. Behutsam öffnet er den Deckel und redet auf vier Schleiereulen ein, um sie zu beruhigen. Schmidt macht Notizen und verlässt die Kirche nach nur wenigen Minuten wieder, um zur nächsten zu fahren.

Unter Umweltschützern gilt er als „Eulenvater der Uckermark“. Seit 25 Jahren fährt Helmut Schmidt jeweils im Frühjahr und im Herbst Hunderte von Kilometern, um Schleiereulenpaare und ihre Brut zu zählen. Wenn er nicht gerade unterwegs ist, repariert der Schwedter Nistkästen für die langbeinigen Vögel mit den markanten schwarzen Augen, die ihren Namen dem herzförmigen Gesichtsschleier verdanken.

Der 66-Jährige ist einer von rund 250 Ehrenamtlichen deutschlandweit, die ihre Beobachtungen und Daten an Biologen in Halle weiterleiten, die sie seit 1988 für das Projekt „Monitoring Greifvögel und Eulen Europas“ auswerten.

Sein ungewöhnliches Hobby begann der Schwedter 1984 in einer Naturschutzgruppe. „Fast alle haben sich um Wasservögel gekümmert. Für Schleiereulen interessierte sich niemand“, erinnert er sich. Per Flugblatt bat Schmidt alle Bürgermeister im damaligen Kreis Angermünde, ihn über Brutpaare in ihren Gemeinden zu informieren. „Es sah aber schlecht aus. Eine positive Antwort kam nur aus Biesenbrow.“ Ein Munitionskasten als neues Zuhause Schmidt begann, mehr als 60 Kirchen und etliche Trafo-Häuser im damals größten Kreis der DDR nach und nach mit Nistkästen zu versehen. In Biesenbrow montierte er den russischen Munitionskasten, den die Eulen sofort annahmen.

Im Laufe der Jahre stieg der Bestand der Vögel. Im Spitzenjahr 1993 zählte Schmidt 31 Brutpaare mit 160 Jungtieren. Momentan liege die Zahl bei 16 mit etwa 65 Jungen. Die Zahlen schwanken stark. Die Schleiereule sei eine subtropische Art, die keine Fettreserven anlege. „Nach ein paar kalten Wintertagen fällt sie von der Stange“, sagt der Vogelschützer. Erschwerend komme der Rückgang von Nahrungsrevieren wie Grünflächen, Feldwegen oder auch Scheunen hinzu, wo die Eulen Nager fangen. „Ein Brutpaar benötigt mehrere Tausend Mäuse für die Aufzucht ihrer Jungen“, sagt Schmidt.

Vom Aussterben bedroht ist die Schleiereule, die weltweit zu den am weitesten verbreiteten Vogelarten überhaupt zählt, nicht: In Brandenburg liegt die Zahl der Brutpaare laut Vogelschutzwarte des Landesumweltamtes bei etwa 900. Deutschlandweit schwanke sie zwischen 13 000 und 18 000, erklärt Ubbo Mammen vom Greifvogel-Monitoring.

Trotz des derzeit stabilen Bestandes sei die Beobachtung wichtig. Schließlich würde sonst niemand merken, wenn sich der Bestand dramatisch reduziere wie etwa in diesem Jahr bei den Grünfinken, erläutert der Biologe. Seit Mai sorgte ein Parasit in Deutschland für ein Massensterben unter Grünfinken und anderen Vögeln.

Es sei jedoch zunehmend schwerer, junge Menschen mit Interesse und Zeit für das Monitoring zu gewinnen. Helmut Schmidt, der laut Mammen zu den treuesten Mitarbeitern gehört, will noch so lange auf Kirchen klettern, wie er kann. Ein Naturschützerkollege aus Schwedt will sich dann als Nachfolger um die Vögel kümmern.

Mehr dazu im Internet unter:

www.greifvogelmonitoring.de

Anja Sokolow

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