Landeshauptstadt: Europa im Visier
Schüler des Helmholtz-Gymnasiums machten Europa lebendig und simulierten das Europa-Parlament
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Selbstbewusst geht die junge Frau an das Rednerpult. Sie trägt einen grauen Anzug, darunter eine lachsfarbene Bluse, die ihr einen frischen Teint verleiht. Mit energischer Stimme wendet sie sich an ihr Auditorium: „Allen muss klar sein, dass es sich bei der Atomenergie um ein Auslaufmodell handelt. Deshalb setzen wir uns für den Ausbau von alternativen Energien ein.“ In einem mitreißenden Schlussappell wendet sie sich an ihr Publikum: „Meine Damen und Herren, wir brauchen eine befriedigende Nachfolgeregelung für das Kyoto-Protokoll. Helfen Sie mit, dass Europa zu einem Ort wird, an dem Umweltpolitik groß geschrieben wird.“ Noch einmal wandert ihr Blick durch die Reihen, bevor die Schülerin der estnischen Delegation zufrieden an ihren Platz zurückgeht. Unruhe entsteht im Plenarsaal, die anschließende Diskussion verläuft hitzig. Dennoch wird die Redeordnung aufrecht erhalten, nach einer knappen Stunde ist die Resolution angenommen.
Eigentlich unterscheidet sich die soeben beendete Sitzung kaum von einer gewöhnlichen Parlamentsdebatte. Dennoch gibt es einen wesentlichen Unterschied: Bei den 179 Abgeordneten handelt es sich nicht um Berufspolitiker, sondern um ganz normale Jugendliche. Bereits zum zehnten Mal kamen in der vergangenen Woche Schüler der 10. und 11. Klasse aus allen deutschen Bundesländern, Polen und Finnland zusammen, um an einer fünftägigen Parlamentssimulation im Bundesrat teilzunehmen. Ziel ist es, die Arbeit des EU-Parlaments nachzustellen. Dabei übernimmt jede Schule die Rolle eines EU-Landes. Die acht Schüler des Helmholtz-Gymnasiums aus Potsdam vertraten Rumänien. Sie waren auf einem schulinternen Wettbewerb des Modells Europa Parlament (MEP) von ehemaligen Teilnehmern ausgewählt worden. Seit einem halben Jahr hatten sie sich auf ihre Rolle als EU-Abgeordnete vorbereitet. Einmal pro Woche trafen sie sich in einer Arbeitsgruppe, um über Geschichte, Politik und die Stellung ihres zu vertretenden Landes in der Europäischen Union zu sprechen. Betreut wurden sie von ihrem Geschichtslehrer Alexander Hutton.
Für Hutton, der bereits zum vierten Mal dabei ist, hat die Parlamentssimulation eine ganz besondere Lernatmosphäre: „Das MEP ist etwas Eigenes, vom regulären Schulalltag Unabhängiges. Vor allem kommt hier die Kritik nicht wie üblich vom Lehrer, sondern von den Abgeordneten, also den Schülern selbst.“ Der Meinung ist auch Marcel. Er ist stolz hier dabei zu sein. Geduldig erklärt er die parlamentarischen Abläufe: „Jedem von uns wurde ein Ausschuss zugeteilt. Dann hieß es die einzelnen Resolutionen zu schreiben, die man später vor dem Plenum verteidigen musste“, berichtet er. Mit seinem grauen Anzug und der roséfarbenen Krawatte kommt der 16-Jährige dem Bild eines echten Parlamentariers täuschend nah. Auch die anderen Jugendlichen stehen Marcel in ihrer Garderobe in nichts nach. Viele der Jungen tragen einen schwarzen Anzug, die Mädchen das klassische Business-Outfit. „Man kommt sich richtig seriös und wichtig vor! Normalerweise trage ich so etwas nicht!“ sagt Marie, die sich mit ihrer weißen Bluse ein bisschen verkleidet vorkommt. Die erst 14-Jährige sprüht vor Begeisterung, als sie von den Erlebnissen der vergangenen Woche berichtet. „Jeder ist um Ernsthaftigkeit und eine gute Ausdrucksweise bemüht.“ Für sie bedeutet das MEP vor allem ganz viele neue Erfahrungen, auch wenn die Nächte mit nur drei bis vier Stunden Schlaf oft verdammt kurz waren. „Gestern haben wir bis weit nach Mitternacht an unseren Reden geschrieben“, weiß auch Jan zu berichten, der im Ausschuss für Wirtschaft- und Strukturförderung sitzt und mit der weltweiten Finanzkrise ein brisantes Thema hat. Und genau das ist die Intention des MEP, bei dem es gilt, gerade junge Leute für Europa zu begeistern. Neben den täglichen Debatten im Bundesrat erwartete die Schüler ein umfangreiches Programm, darunter ein Besuch im Bundestag. Am Freitag kam es zu einem Austausch mit echten Politikern. „Bei dieser Diskussion merkte man schnell, dass die Themen oftmals noch viel komplexer sind“, erzählt Maria. Für die 14-Jährige war es eine spannende Woche, auch wenn am Ende keiner der Potsdamer Schüler für das internationale MEP nominiert wurde, das im November in Bonn stattfindet. Anja Priewe
Anja Priewe
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