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Gräber reihen sich auf dem Alten Friedhof in der Heinrich-Mann-Allee aneinander.

© Ottmar Winter

Potsdamer Friedhöfe: Ewige Ruhe für 25 Jahre

Warum Grabstätten oft nur kurz bestehen, wieso Potsdams Friedhöfe vom Sandboden profitieren - und wofür es kaum noch Bedarf gibt.

Potsdam - Wer durch die stille Atmosphäre eines Friedhofs spaziert und dabei an vielen verwitterten Grabsteinen vorbeikommt, dem fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, dass die Toten hier ihre ewige Ruhestätte gefunden haben. Doch so ewig ist diese Ruhe in der Regel gar nicht: Über die Hälfte der Grabstätten in Potsdam besteht gerade einmal 20 bis 25 Jahre, danach werden sie beräumt und neubelegt. Ein „Ewigkeitsrecht“ gibt es nur für Kriegsgräber.

Entsprechend der Potsdamer Friedhofssatzung beträgt die vorgeschriebene Ruhezeit für Erdbestattungen 25 Jahre und für Urnenbeisetzungen 20 Jahre. Die Nutzung der Grabstätten kann beliebig verlängert werden, sofern es die Kapazität des jeweiligen Friedhofs zulässt; bei Erdgräbern kostet dies 52 Euro pro Jahr, bei einem Urnengrab 37 Euro. Allerdings nutzt nur ein Teil der Angehörigen diese Möglichkeit: „Der Wunsch zu verlängern oder nicht zu verlängern hält sich die Waage – circa 50 Prozent der Hinterbliebenen verlängern ein- oder mehrmalig das Nutzungsrecht an ihrer Grabstätte“, sagt Stadtsprecherin Christine Homann auf Nachfrage der PNN.

Die Grabstätten auf dem Friedhof in der Babelsberger Goethestraße sind gut gepflegt.
Die Grabstätten auf dem Friedhof in der Babelsberger Goethestraße sind gut gepflegt.

© Ottmar Winter

Bei den anderen 50 Prozent entscheiden sich die Angehörigen – sofern diese noch leben – gegen eine Verlängerung. Viele Grabstätten geraten aber auch in Vergessenheit: Bis vor einigen Jahren informierte die Stadt die Hinterbliebenen noch per Brief darüber, dass die Ruhezeit des entsprechenden Grabes bald abläuft – eine Praxis, die mittlerweile eingestellt wurde, da die Hälfte der Schreiben mit dem Vermerk „Empfänger verzogen“ zurückkamen. „Bei einem Umzug wird leider oftmals nicht daran gedacht, auch der Friedhofsverwaltung die neue Anschrift mitzuteilen“, so Homann. Die Verfallsdaten von Grabstätten werden stattdessen im Internet, im Amtsblatt und in den Aushängen der Friedhöfe veröffentlicht.

Verlängerung nur bei Wahlgrabstätten möglich

Die Möglichkeit zur Verlängerung besteht allerdings nur bei Wahlgrabstätten, bei denen man sich eine bestimmte Stelle in einem Grabfeld aussuchen kann. Daneben gibt es auch sogenannte Reihengräber, für die nur ein einmaliges Nutzungsrecht von 20 oder 25 Jahren vergeben wird, das nicht verlängert werden kann. In der Regel werden diese für alleinstehende Verstorbene genutzt, also wenn keine Folgebeisetzung des Partners oder der Partnerin direkt neben dem Grab zu erwarten ist.

[Lesen Sie auch: Der Friedhof der LebendenWieso viele Menschen sich jetzt schon ihr Grab aussuchen (T+)]

Die Friedhofsverwaltung weist in seiner Beratung darauf hin, welche Regeln für ein Reihengrab gelten: „Wird ein Reihengrab gewünscht und wir erkennen, dass zum Beispiel noch ein lebender Ehepartner gegenwärtig ist, fragen wir spezifisch, wo dessen Beisetzung später mal stattfinden soll“, sagt Homann. „So werden Fehlentscheidungen verhindert und Beschwerden, warum das Reihengrab nach Ablauf der Ruhezeit nicht verlängert werden kann, stark reduziert.“ 2021 betrug der Anteil von Reihengräbern auf den Potsdamer Friedhöfen 15,5 Prozent, der Rest waren Wahlgräber.

Ruhezeiten hängen auch mit Beschaffenheit des Bodens zusammen

Die Ruhezeiten auf Friedhöfen sind nicht einheitlich, sie reichen von Region zu Region von 15 bis 35 Jahren. Dies hat mit der Beschaffenheit des Bodens zu tun: Sie entscheidet darüber, nach wie vielen Jahren ein Leichnam vollständig zersetzt ist und das Grab neubelegt werden kann. „Geologisch-hydrologische Gutachten geben Aufschlüsse über bestehende Schichten- und Grundwasserverhältnisse auf der jeweiligen Fläche“, sagt Homann.

Ein Steinengel schmückt einen Grabstein auf dem Friedhof in der Babelsberger Goethestraße.
Ein Steinengel schmückt einen Grabstein auf dem Friedhof in der Babelsberger Goethestraße.

© Ottmar Winter PNN

In seltenen Fällen kommt es jedoch vor, dass sich Leichname nicht zersetzen und zu sogenannten Wachsleichen werden: Dies passiert vor allem bei zu feuchten und lehmigen Böden, da die Feuchtigkeit dazu führt, dass sich das Hautfett der Toten in sogenanntes Leichenlipid umwandelt. Der Körper wird dadurch von einer wachsartigen Schicht umhüllt, welche die Verwesung unter Umständen vollständig verhindert. In Potsdam ist dies zum Glück kein Thema: „Wachsleichen wurden in den vergangenen Jahrzehnten nicht vorgefunden, bedingt durch den gut belüfteten Sandboden der Region“, sagt Homann. Ohnehin geht der Trend immer mehr zu kostengünstigen Urnenbestattungen, wodurch auch das Auftreten von Wachsleichen seltener wird.

Kaum noch Bedarf an großen Familiengräbern

Dennoch kann es passieren, dass nach Ablauf der Ruhezeit einige Knochen nicht komplett zersetzt sind: „Sollten bei der Neubelegung einer Erdstelle doch einmal Knochenteile gefunden werden, so werden diese unter der zukünftigen Gruftsohle pietätsvoll beigesetzt, verbleiben somit am Beisetzungsort“, sagt Homann. Wird ein Grab neubelegt, muss auch der Rest der oberirdischen Ausstattung, vom Grabstein bis hin zu den Pflanzungen, entfernt werden.

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Hier und da sieht man auf Friedhöfen immer wieder sehr alte und überwucherte Gräber, die offenkundig schon seit langem nicht mehr gepflegt werden. In der Regel handelt es sich dabei um große Familiengräber mit schmiedeeisernen Zäunen und aufwändigen Grabsteinen. „Durch die Zersiedlung der Familien ist der Bedarf an solch großen Familiengräbern nur noch wenig vorhanden“, sagt Homann. „Die Friedhofsverwaltung versucht aber, die traditionsreichen Familiengräber, auch wenn das Nutzungsrecht abgelaufen ist, zu erhalten.“

Gelegentlich findet sich nämlich ein neuer Nutzer oder eine neue Nutzerin: Privatpersonen, die nichts mit der Familie zu tun haben müssen, können die Grabstellen übernehmen. „Sie wollen für sich und für Ihre Familie eine langfristige Bestattungsfläche schaffen“, sagt Homann. „So werden pro Jahr circa fünf Familienstellen an neue Nutzer übergeben und damit die zum Erscheinungsbild der Friedhöfe gehörenden Familienstellen erhalten.“

Wer sich für die Nachnutzung eines alten Familiengrabs interessiert, kann sich an die Friedhofsverwaltung auf dem Alten Friedhof Potsdam wenden: Bevor einer Nutzungsvergabe zugestimmt wird, findet eine Besichtigung der in Frage kommenden Stelle und eine Beratung über die mögliche Gestaltung der Grabfläche statt.

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