Potsdamer Stadtwerke-Skandal: Ex-EWP-Chef Holger Neumann: Alles eine Intrige
Der suspendierte EWP-Chef Holger Neumann wehrt sich gegen die Anschuldigungen, die im Zuge des Stadtwerke-Skandals gegen ihn erhoben wurden, und belastet nun andere. Das könnte ihm schaden.
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Potsdam - Der nach Begünstigungsvorwürfen suspendierte Geschäftsführer der Stadtwerke-Tochter Energie und Wasser Potsdam (EWP), Holger Neumann, weist die gegen ihn im Stadtwerke-Skandal erhobenen Anschuldigungen zurück. Er vermutet eine Verschwörung gegen sich, die das Ziel gehabt habe, ihn von seinem Posten zu entfernen. Das ergibt sich aus einem den PNN vorliegenden vertraulichen Schreiben an den Aufsichtsrat der EWP, datiert am 26. Juni, in dem Neumann auch Ex-Kollegen belastet. Generell wirft er darin Beteiligten „fehlende Differenzierungen, unvollständige Sachverhaltsaufklärungen, voreilige rechtliche Anschuldigungen“ vor.
Neumann sieht "öffentliche Herabsetzung" seiner Person
Gleich zu Beginn seines 14-seitigen Briefs erklärt der 52-jährige Manager, für ihn bestehe der Eindruck, dass die von der Innenrevision der Stadtwerke in Auftrag gegebenen Untersuchungen von Anfang an nicht auf „objektive Aufklärung“ angelegt gewesen seien. Vielmehr sei es darum gegangen, Aufsichtsrat und Gesellschafter der EWP für seine Abberufung und die Presse für die „öffentliche Herabsetzung“ seiner Person „zu instrumentalisieren“. Den Anwaltskanzleien, die den Komplex untersuchen, wirft er voreilige und teils willkürliche Schlussfolgerungen vor.
Neumann, der bis März 2015 auch Chef der Stadtwerke-Tochter Stadtentsorgung (Step) war, wurde im Mai abberufen – zusammen mit Technikchef Enrico Munder. Beide sind bei vollen Bezügen freigestellt. Vorgeworfen wird ihnen vor allem, der Ex-Step-Prokuristin Petra V. an zuständigen Gremien vorbei mutmaßlich überhöhte Gehaltssteigerungen in Höhe von fast einer halben Million Euro zugeschanzt zu haben. Petra V. gilt als Vertraute des 2011 geschassten Ex-Stadtwerke-Chefs Peter Paffhausen. Die Staatsanwaltschaft prüft Ermittlungen.
Neumann erklärt dazu, auch unter den früheren Step-Chefs habe V. Gehaltserhöhungen erhalten – er sei erst 2009 ins Unternehmen gekommen. Zudem sei die Vorschrift, dass die Gesellschafterversammlung Lohnerhöhungen ab einem Jahresgehalt von über 50 000 Euro genehmigen muss, auch bei anderen Step-Mitarbeitern nicht beachtet worden. „Die Regelung war nicht praktikabel“, so Neumann. Gleichwohl habe man für die Erhöhungen der Gehälter von V. die Zustimmung von „Vertretern des Mehrheitsgesellschafters“ eingeholt – also den Stadtwerken. Mit deren Chefs – erst Paffhausen, dann der zuletzt wegen Vorwürfen der Vetternwirtschaft zurückgetretene Wilfried Böhme – habe es Abstimmungen gegeben, dass die Höhe der Vergütungen den „üblichen Maßstäben“ im Stadtwerke-Verbund entspreche, so Neumann. Grund für die Gehaltserhöhungen für V. 2009 und 2011 seien zusätzliche Aufgaben gewesen. Böhme selbst hat zurückgewiesen, von den stetig erhöhten Gehältern und Boni, zusammengefasst seit 2012 im Bezügebericht der Step, gewusst zu haben: Er „müsse nicht alles wissen“, zitieren die Juristen ihn im Zwischenprüfbericht.
Neumann sieht "beispiellose Vorverurteilung"
Verärgert ist Neumann über das Vorgehen gegen ihn: Noch bevor er die Gelegenheit erhalten habe, sich zu den Vorwürfen zu äußern und bevor die rechtliche Bewertung beendet war, sei er abberufen worden. Es handele sich um eine „beispiellose Vorverurteilung“, die auf „diejenigen zurückgeht, die von Anfang an vorhatten, ohne Rücksicht auf die Interessen des Unternehmens ihre Intrigen zu spinnen“ – „damit ihnen unliebsame Führungskräfte den Arbeitsplatz verlieren.“
Neumann ist seit 1996 bei den Potsdamer Stadtwerken (SWP), er kam von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers, vorher war er bis 1990 Stabsoffizier bei den DDR-Grenztruppen. Bei der SWP gilt für Neumann inzwischen ein Hausverbot – das für ihn auf ein falsches Gerücht zurückgeht. Neumann schreibt in seinem Brief: „Ich soll am Wochenende vor meiner Abberufung angeblich gemeinsam mit Herrn Böhme in den Räumen der SWP Unterlagen vernichtet haben. Das aber ist gelogen, an diesem Wochenende hielt ich mich nachweislich nicht in Potsdam auf.“
Zugleich greift Neumann seine Ex-Kollegen Munder und den heutigen Step- Chef Burkhardt Greiff an, der im März 2015 vom privaten Step-Minderheitseigner Remondis kam. Beide hätten bereits zwei Monate später – im Mai 2015 – an einer Aufhebungsvereinbarung für Petra V.s unbefristeten Vertrag mitgewirkt – aber erst vier Monate später den besagten Auftrag bei der Innenrevision ausgelöst, die Unregelmäßigkeiten bei der Gehaltshöhe für V. per Prüfung aufzuklären. „Das ergibt keinen Sinn“, so Neumann. Er stellt die Frage, wieso Munder und Greiff dem Abfindungsvertrag „nicht entgegengetreten sind“. So bestehe für ihn der Eindruck, dass es eher darum gegangen sei, ihn selbst zu „einem passenden Zeitpunkt in Verruf zu bringen“. Allerdings: In dem den PNN vorliegenden Auftrag von Greiff und Munder an die Innenrevision ist nur allgemein von zu kontrollierenden Unregelmäßigkeiten die Rede; später monierten die Prüfer neben den Gehaltssteigerungen für Petra V. auch einzelne Verträge und Vergaben durch V. und Neumann.
12-monatige Kündigungsfrist für Petra V.
Prokuristin V. wurde 2015 gekündigt – ihr Vertrag sah eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten zum Ende eines Kalenderjahres vor. Pikant: Diese lange Frist hat Paffhausen ihr noch Tage vor seinem Rücktritt verschafft, schreiben die Prüfer der Kanzlei Raue. Vor ihrer Kündigung war V. bereits die Prokura entzogen worden, schon im Dezember 2014 hatte Step-Chef Munder dies angesichts von Fehlern bei der Steuerung einzelner Bauprojekte in einem Brief an SWP-Chef Böhme und die Remondis gefordert. Wegen der langen Kündigungsfrist erhält V. noch bis Ende dieses Jahres ihre Bezüge – und hat dazu eine Abfindung über 169 000 Euro erhalten. Dem hätten die Eigner der Step sowie die SWP-Geschäftsführung, damals Böhme, zugestimmt – nach Beschluss ihres Gesellschafters, also Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD).
Neumann führt an, an den Verhandlungen zur Kündigung und Abfindung von V. seien für die Stadtwerke Ex-Chef Böhme sowie Prokurist Ralf Zeretzke beteiligt gewesen. Ihnen allen sei seitdem die Höhe der Vergütung von V. bekannt gewesen. Nach PNN-Informationen wirkte Neumann aber zeitweise auch selbst mit bei der Vertragsauflösung.
Neumanns Rechtfertigungs-Brief könnte einen gegenteiligen Effekt haben: Wie es aus dem EWP-Aufsichtsrat hieß, werde geprüft, ob sich ein abgesetzter Geschäftsführer überhaupt so detailliert an einen Aufsichtsrat wenden dürfe – und ob das eine weitere Pflichtverletzung darstellen könnte. Die wiederum könnte eine fristlose Kündigung nach sich ziehen, die die Stadtspitze aus Sorge vor einer juristischen Schlammschlacht bisher abgelehnt hatte.
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