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Was tun mit den alten Chefs? Die Ex-Geschäftsführer der Stadtwerke müssen zwar mit Schadensersatzforderungen rechnen, aber keine außerordentliche Kündigung mehr fürchten – sie können bis zum Ablauf ihrer Verträge bei vollen Bezügen zu Hause bleiben. Das hat der Aufsichtsrat der Stadtwerke-Tochter EWP am Freitag beschlossen.

© A. Klaer

Potsdamer Stadtwerke-Skandal: Ex-Geschäftsführer werden nicht fristlos gekündigt

Die früheren Manager Wilfried Böhme und Holger Neumann müssen mit Schadensersatzforderungen rechnen, aber keine fristlose Kündigung mehr fürchten.

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Rathaussprecher Jan Brunzlow teilte am Freitagabend nach einer Sitzung des Aufsichtsrats der profitablen Stadtwerke-Tochter Energie und Wasser Potsdam (EWP) in Bezug auf Böhme und Neumann mit: Es bestehe keine hinreichende Grundlage dafür, die Anstellungsverträge mit beiden Herren – „trotz der aufgetretenen Unzulänglichkeiten“ – außerordentlich zu kündigen. Allerdings bleibe die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen „gegen die Geschäftsführer ausdrücklich vorbehalten, soweit ein Schaden dem Grunde und der Höhe nach zu beziffern ist.“ Wie es aus dem Aufsichtsrat hieß, geht es dabei konkret um mögliche Rückforderungen des Finanzamts an die Stadtwerke – wegen des Verdachts der Scheinselbstständigkeit. Hintergrund sind zwei Werkverträge, abgeschlossen zwischen der EWP und zwei Firmen, die einem Schwager und einem Freund von Böhme gehörten.

Bereits vor zwei Monaten suspendiert

In den vergangenen Monaten hatten sich immer neue Vorwürfe im Zusammenhang mit den Stadtwerken ergeben. Dem suspendierten EWP-Chef Neumann wird vor allem vorgeworfen, als Ex-Chef der Stadtwerke-Tochter Stadtentsorgung (Step) weiter ein System befördert zu haben, mit dem Petra V., eine frühere Prokuristin und frühere Vertraute des vor fünf Jahren geschassten Stadtwerke-Chefs Peter Paffhausen, über Jahre üppige Gehaltserhöhungen und Bonuszahlungen in Gesamthöhe von rund einer halben Million Euro erhielt – an allen Gremien vorbei und nach Meinung von mit der Prüfung beauftragten Juristen ohne ersichtliche Gründe. Neumann war bereits vor zwei Monaten suspendiert worden.

Im Juni folgte der EWP- und Stadtwerke-Hauptgeschäftsführer Wilfried Böhme, er trat zurück. Bekannt geworden war der für die Schadensersatzforderungen nun relevante Werkvertrag der EWP mit einer Bauschlosserfirma, deren Inhaber Böhmes inzwischen in den Ruhestand gewechselter Schwager ist. Nach PNN-Informationen sollen zwischen 2011 und Mitte 2015 jeweils mehr als 5000 Euro pro Monat an die Firma des Schwagers gezahlt worden sein; die EWP war offenbar der einzige Kunde der Firma. Daher besteht für den Fiskus der Verdacht auf Scheinselbstständigkeit, dass also fällige Sozialabgaben nicht gezahlt wurden. Daher könnten auf die Stadtwerke noch Nachforderungen samt Strafen zukommen. Ebenso soll Böhme auch einen befreundeten Ingenieur mit einem Werkvertrag – ebenfalls über 5000 Euro monatlich – seit 2011 versorgt haben.

Neumann hatte in einem Schreiben an den Aufsichtsrat aus dem Juni wiederum erklärt, die „Behauptung, wir hätten Scheinselbstständige beschäftigt, um Steuern und Sozialabgaben zu sparen, weise ich entschieden zurück.“ Böhme hatte seinen Rücktritt unter anderem damit begründet, dieser Schritt sei geboten, „um einer objektiven Sachverhaltsprüfung nicht im Wege zu stehen“. Zu den Werkverträgen selbst hatte er sich öffentlich bisher nicht explizit geäußert.

Neumann und Böhme bleiben bei vollen Bezügen

Für eine fristlose Kündigung reichen die Vorwürfe jedenfalls nicht. Darauf habe sich der Aufsichtsrat unter Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) auf Grundlage abschließender Untersuchungsberichte der Konzernrevision und der eingeschalteten Gutachter verständigt, erklärte Rathaussprecher Brunzlow. Auch Vertreter des EWP-Minderheitsgesellschafters, der Stromkonzern Eon Edis, sollen nach PNN-Informationen gegen eine Kündigung argumentiert haben, unter anderem um potentielle Kandidaten bei der Nachfolge-Suche nicht zu verschrecken. Ebenso ein Gesichtspunkt für das Vorgehen sollen die – trotz aller Vorwürfe – dennoch guten Geschäftsergebnisse der EWP sein – sowie die Sorge vor einem monatelangen Rechtsstreit samt medialer Begleitung und mit ungewissem Ausgang.

Damit bleiben Neumann und Böhme bis ins kommende Jahr bei vollen Bezügen – es geht nach PNN-Informationen um jeweils rund 200 000 Euro pro Jahr – freigestellt. Auch Petra V. kostet die Stadtwerke noch Geld: Ihr Aufhebungsvertrag sieht – weil sie schon vorher so viel verdiente und Paffhausen eine lange Kündigungsfrist für sie erwirkt hatte – bis Ende des Jahres Gesamtzahlungen in Höhe von 409 000 Euro vor. Gegen die 55-Jährige wird von der Staatsanwaltschaft Neuruppin wegen Vorteilsnahme ermittelt, weil eine Firma kostenlos ihr Eigenheim geplant haben soll, der sie bei der Step Aufträge verschaffte.

Zugleich entschied der Step-Aufsichtsrat am Freitag nach PNN-Informationen, dass auch der Technik-Chef der Step, Enrico Munder – Jahresverdienst rund 130 000 –, fristgemäß zum kommenden Sommer gekündigt wird. Auch er ist zunächst freigestellt. Anfangs hieß es zu Munder in Prüfberichten noch, er habe maßgeblich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen. Allerdings hatten sich nach Darstellung der Stadt weitere Vorwürfe ergeben – so habe er die Gehaltssteigerungen für Petra V. über die Jahre hinweg mit unterschrieben.

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