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Begutachtet. Prof. Joachim Wieland von der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer (l.) stellte gestern sein Gutachten zum Griebnitzsee vor. Beauftragt hatte ihn Bürgermeister Burkhard Exner (SPD, r.). 8000 Euro zahlte die Stadt für die Expertise.

© A. Klaer

Von Sabine Schicketanz: Exner: Schäuble muss persönlich ran

Gutachten: Ausschreibung der Grundstücke wäre „rechtswidrig“ – Stadt droht Bund daher mit Klage

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Babelsberg - Potsdam geht im Konflikt mit dem Bund um 32 Hektar Ufergrundstücke am Griebnitzsee in die Offensive: Die brandenburgische Landeshauptstadt warnt das Bundesfinanzministerium davor, die bundeseigenen Grundstücke wie vorgesehen auszuschreiben. Die Ausschreibung wäre „rechtswidrig“, heißt es in einem 22-seitigen, von der Stadt in Auftrag gegebenen Gutachten des Verwaltungswissenschaftlers Prof. Joachim Wieland, das gestern Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) und Wieland vorstellten. Der Bund würde mit einer Ausschreibung gegen das Grundgesetz und die Bundestreue verstoßen, meint Wieland. Stattdessen müsse der Bund die Uferflächen wie im Herbst begonnen zum Verkehrswert direkt an Potsdam verkaufen.

Die Landeshauptstadt schließe nicht aus, im Fall einer Ausschreibung den Bund zu verklagen, sagte Bürgermeister Exner. Damit würde Potsdam juristisches „Neuland“ betreten, doch man habe dies „bereits einmal durchgespielt“. Exner sagte, für die Ausschreibungs-Pläne sei der Stadt keine ausreichende Erklärung bekannt. „Jetzt reicht es uns“, so Exner. Das Bundesfinanzministerium müsse sich „sensibler und tiefgreifender“ mit dem Thema auseinandersetzen – es handele sich um einen Präzedenzfall, der Auswirkungen auf alle Grundstücksverkäufe des Bundes an Länder und Kommunen habe. Deshalb müsse sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) „persönlich der Sache annehmen“, forderte Exner. „Bei allem, was er derzeit um die Ohren hat – er muss den Kurs vorgeben“, so der Bürgermeister.

Einen drohenden Präzedenzfall zum Nachteil der Kommunen sieht auch der Städte- und Gemeindebund Brandenburg: Wenn der Bund künftig seine Grundstücke ausschreibe, müsse verstärkt damit gerechnet werden, dass Dritte gezielt Liegenschaften kauften, um öffentliche Vorhaben zu verteuern, zu verzögern oder ganz zu vereiteln.

Ähnliches bildet den Hintergrund für den Poker um die Griebnitzsee-Grundstücke: Die knapp 32 Hektar des Bundes spielen eine Schlüsselrolle im bereits Jahre andauernden Konflikt um den Uferweg am Griebnitzsee, den die Stadt Potsdam durchsetzen will und dafür als letztes Mittel Enteignungen nicht ausschließt. Der rund drei Kilometer lange ehemalige Postenweg der DDR-Grenzer ist seit mehr als einem Jahr von Anrainern gesperrt. Über den Ankauf der 32 Hektar hatte sich Potsdam nach eigenen Angaben bereits im August 2009 mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) geeinigt. Die Behörde, die dem Bundesfinanzministerium unterstellt ist, hatte der Stadt im November 2009 einen Kaufvertragsentwurf zugeschickt. Für die knapp 32 000 Quadratmeter sollte Potsdam 2,62 Millionen Euro zahlen; diesen Verkehrswert von 82,50 Euro pro Quadratmeter habe der gemeinsam von Bima und Stadt beauftragte Sachverständige Knut Mollenhauer ermittelt.

Doch zur Beurkundung des Kaufvertrags kam es nicht, weil am selben Tag eine Gruppe von Griebnitzsee-Anrainern der Bima drei Millionen Euro für die Flächen bot – offenbar um den Uferweg zu verhindern. Nun vertrete das Bundesfinanzministerium die Position, dass sich mit dem Konkurrenzangebot „ein Grundstücksmarkt“ für die Uferflächen gebildet habe und sie daher ausgeschrieben werden müssten, heißt es im Gutachten. Prof. Wieland, der den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer innehat und nach eigenen Angaben keiner Partei angehört, vertritt im Gutachten die entgegengesetzte Position: Eine Ausschreibung wäre „rechtswidrig“, weil der Bima damit den ermittelten Verkehrswert in Zweifel ziehen würde – doch sei die Behörde laut Grundgesetz zur „Gesetzmäßigkeit der Verwaltung“ verpflichtet. Dazu komme, dass die Anrainer ein „außergewöhnliches Interesse“ verfolgten – derartig motivierte Angebote dürften gar nicht beachtet werden. Der Bund sei zudem zur „Bundestreue“ verpflichtet: Er müsse Anliegen der Länder und Kommunen unterstützen. Potsdam erfülle mit dem Uferweg sogar einen „Verfassungsauftrag“: Sowohl die Landesverfassung als auch das Bundesnaturschutzgesetz sehen laut Wieland vor, dass Bund, Länder und Kommunen den Zugang zu Seen freihalten oder schaffen sollen. Dass ein Zugang nicht gleich ein kompletter Uferweg sein müsste, ist für Wieland kein Argument: Die Auslegung der Gesetze obliege der Kommune, die sie anwende. Für das Gutachten Wielands bezahlte die Stadt 8000 Euro.

Vom Bundesfinanzministerium und der Bima waren gestern keine Stellungnahme zu erhalten. Der Verwaltungsrat der Bima, der gestern tagte, wollte sich jedoch auch mit dem Thema Griebnitzsee befassen, sagte ein Sprecher.

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