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Das Wasser kommt. Allein im 20. Jahrhundert ist der Meeresspiegel bereits um rund 17 Zentimeter weltweit angestiegen.

© Reuters

KLIMAWANDEL: Experten: Meerespiegel steigt noch stärker als erwartet

Wissenschaftler warnen vor Meeresspiegelanstieg von bis zu 1,20 Meter. Potsdamer Forscher haben 90 Experten befragt

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Noch in diesem Jahrhundert könnte der Meeresspiegel weltweit um mehr als einen Meter ansteigen. Eine Expertenbefragung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) unter 90 Spezialisten hat ergeben, dass der Meeresspiegel bis 2100 um 70 bis 120 Zentimeter ansteigen könnte. Das liegt weit über dem vom Weltklimarat IPCC erwarten Anstieg von rund 28 bis 98 Zentimeter. Doch auch dieser Anstieg ist bereits erheblich, war der im IPCC in seinem aktuellen Bericht doch zu dem Schluss gekommen, dass man den Anstieg bislang unterschätzt habe. Zwischen 1840 und heuten ist der Meeresspiegel nach Angaben des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltvorsorge (WBGU) um 40 Zentimeter gestiegen.
Nach Ansicht der Klimaforscher ist durch den Anstieg der Weltenmeere der Lebensraum von Hunderten Millionen Menschen bedroht. Gefährdet sind grundsätzlich niedrig liegende Küstenländer wie beispielsweise Bangladesh – und diese besonders bei Stürmen. Unter den Städten, in denen starke Schäden zu erwarten sind unter anderem New Orleans in den USA, Guangzhou in China und Jakarta in Indonesien.
Laut der aktuellen Expertenbefragungh des PIK, die am Freitag in den Fachzeitschrift Quaternary Science Review erschienen ist, erwarten die Forscher bei ungebremstem Klimawandel bis zum Jahr 2300 einen mittleren Meeresspiegelanstieg von zwei bis drei Metern. Im Gegensatz dazu wird der Meeresspiegelanstieg in einem Szenario mit ambitioniertem Klimaschutz bis 2100 auf 40 bis 60 Zentimeter und bis 2300 auf 60 bis 100 Zentimeter geschätzt. Durchgeführt wurde die Befragung von einem Wissenschaftlerteam aus den USA und Deutschland (PIK).
„Während die Ergebnisse zeigen, dass der Meeresspiegel mit Klimaschutz langfristig auf einen Meter begrenzt werden könnte, stellt ein Szenario mit unverminderten Emissionen die Zukunft einiger Küstenstädte und tiefliegender Inseln infrage“, sagte Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Aus einer Perspektive des Risikomanagements sind Projektionen zum Meeresspiegelanstieg etwa für die Planung von Küstenschutz oder für das Abwägen verschiedener Strategien zur Emissionsreduktion von großer Bedeutung.“
Ein Temperaturanstieg durch ungebremste Emissionen setzt Küstenregionen der Gefahr eines langfristigen Meeresspiegelanstiegs um mehrere Meter aus, das verdeutlichen sowohl die Ergebnisse der Umfrage als auch die des IPCC für den Zeitraum bis 2300“, sagt Rahmstorf. „Sie belegen jedoch auch die Möglichkeit, einen derart massiven Anstieg des Meeresspiegels durch eine erfolgreiche Reduktion von Treibhausgasemissionen noch zu verhindern.“ Zum Anstieg des Meeresspiegels und zur Stabilität der polaren Eisschilde war der aktuelle IPCC-Report pessimistischer ausgefallen als der vorherige Bericht. Der Weltklimarat musste seine Projektionen im Vergleich zum letzten Bericht um etwa 60 Prozent nach oben korrigieren, und auch andere von Wissenschaftlergruppen erstellte Studien kamen auf höhere Werte. Der von Satelliten während der letzten beiden Jahrzehnte gemessene Meeresspiegelanstieg hat frühere Erwartungen übertroffen. Auch PIK-Forscher Rahmstorf hatte eingeräumt, den Meeresspiegelanstieg eher unterschätzt zu haben.
Die PIK-Forscher weisen aber auch draufhin, dass Projektionen zum Anstieg des Meeresspiegels noch große Unsicherheiten bergen. Die verursachenden physikalischen Prozesse seien komplex. Dabei gehe es etwa um die Ausdehnung der sich erwärmenden Ozeane, das Abschmelzen von Berggletschern, Eiskappen und der zwei großen Eisschilde Grönlands und der Antarktis, sowie das Fördern von Grundwasser zu Bewässerungszwecken. „Unterschiedliche Modellansätze führen dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen“, so das PIK.
Projektionen zum Meeresspiegel sind oft auf den relativ kurzfristigen Zeitraum bis 2100 fokussiert. Die PIK-Forscher betonen aber, dass der Meeresspiegel auch nach diesem Datum noch weiter ansteigen werde. „Ein Temperaturanstieg durch ungebremste Emissionen setzt Küstenregionen der Gefahr eines langfristigen Meeresspiegelanstiegs um mehrere Meter aus, das verdeutlichen sowohl die Ergebnisse der Umfrage als auch die des IPCC für den Zeitraum bis 2300“, sagt Rahmstorf. „Sie belegen jedoch auch die Möglichkeit, einen derart massiven Anstieg des Meeresspiegels durch eine erfolgreiche Reduktion von Treibhausgasemissionen noch zu verhindern.“

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