Landeshauptstadt: Fairer Sieg gegen die Kontrolleure
Afrikaner aus dem Asylbewerberheim gewannen gestern Freundschaftsspiel gegen Potsdamer Polizisten
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Bornstedt – Zwei Tore hat Jules Caesar Kamchoum geschossen. Und so den Sieg seiner Mannschaft ermöglicht. Doch im Gegensatz zu seinen Teammitgliedern kann er auch über den Gewinn hinaus glücklich sein. Der 21–jährige will bald seine deutsche Verlobte heiraten – und kann damit seinen rechtlich prekären Status als Asylbewerber ablegen, den deutschen Pass bekommen. Doch gestern wurde Jules Caesar Kamchoum nur wegen seiner Siegtreffer gefeiert: Ein von der Polizei organisiertes Fußballspiel zwischen einer afrikanischen Mannschaft des Asylbewerberheims am Lerchensteig und Polizisten aus dem Schutzbereich Potsdam endet am Nachmittag mit 3:2. „Dieses Spiel hat Spaß gemacht“, sagt Kamchoum danach. Und flachst ausgelassen mit seinen Teamkollegen auf dem Sportplatz der Karl-Foerster-Grundschule in der Kirschallee herum.
Über den Sieg der afrikanischen Spieler freut sich besonders Björn Steinberg. Solche Erfolge seien im Leben eines am Lerchensteig wohnenden Migranten wichtig, erzählt der Sozialarbeiter in dem Asylbewerberheim der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Denn die rechtliche Lage der Bewohner sei äußert unsicher. Bei vielen hänge das Asylverfahren in der Schwebe: Behörden müssen darüber entscheiden, ob sie als politische Flüchtlinge anerkannt werden – oder ob sie Deutschland wieder verlassen müssen. Dann würden manche wieder zurück in ihre Heimat geschickt, in der sie nach eigenen Angaben verfolgt und gefoltert wurden. „Diese Unsicherheit macht viele depressiv, manche sogar kriminell“, sagt Steinberg. Besonders prekär sei der Status als „geduldeter“ Ausländer: Menschen also, die keine Urkunden mehr besitzen, um sich auszuweisen – und deshalb neue Papiere benötigen, weil sie sonst nicht ausreisen können. Bürokratie, die Menschen kaputt machen kann.
Auf dem Platz sind solche Sorgen freilich vergessen: Die Elf aus afrikanischen Ländern wie Ghana oder Nigeria versucht von Beginn an offensiv zu spielen. Und Kunststücke mit dem Ball zu zeigen. Doch Tore bleiben zunächst Mangelware. Bis der Fußballmannschaft der Polizei plötzlich das 1:0 gelingt. Die Afrikaner liegen hinten. Björn Steinberg bangt: „Hoffentlich werden sie jetzt nicht nervös.“
Im Alltag zermürben viel ernstere Dinge: Asylbewerber haben nur wenige Rechte, aber viele Pflichten. Wer von Potsdam nach Berlin fahren wolle – und sei es für wenige Stunden – müsse sich von der Ausländerbehörde erst eine Genehmigung holen. Auch arbeiten dürfen die Asylbewerber nicht und müssen mit 180 bis 200 Euro im Monat auskommen. „Wir bieten aber in unserem Heim gemeinnützige Arbeit an, bei der die Teilnehmer wenigstens rund 80 Euro im Monat dazu verdienen können“, sagt Steinberg. Doch bei rund 20 Plätzen und 200 Bewohnern reichen solche Angebote nicht aus. Die meisten bleiben ohne Aufgabe. Langeweile, keine Perspektive, gefühlte Benachteiligung – so entstehen Aggressionen.
Um gegen solche Gefühle anzukämpfen, hat Björn Steinberg vor gut zweieinhalb Jahren das Fußballprojekt im Asylbewerberheim begonnen. „Beim Spielen können sie ihre Energien sinnvoll einsetzen“, sagt Steinberg. Einmal pro Woche wird im Volkspark am Bornstedter Feld trainiert. Die deutschen Fußballtrikots und -hosen sind ein Geschenk des Deutschen Fußball-Bundes. Und die Schuhe gespendet, weswegen sie nach jedem Spiel von Steinberg gepflegt werden – sie sollen möglichst lang ganz bleiben, denn das Geld ist knapp. Aber das Training fruchtet: Gegen die gut mitspielenden Polizisten ziehen die Afrikaner mit 3:1 davon. Mehr als der Anschlusstreffer gelingt den Polizisten nicht mehr. Nach 90 Minuten ruft ein Polizeisprecher den entscheidenden Satz durchs Megafon: „Sieg für die Gäste“. Eine Rückspiel der fairen Partie soll es geben, auch um Vorurteile weiter abzubauen. Denn sonst sehen Asylbewerber wie Jules Caesar Kamchoum Polizisten nur, wenn es Ärger gibt, etwa bei Kontrollen, ob die Ausländer nicht unerlaubt in andere Städte gehen: „Das hat mich an Deutschland am meisten überrascht.“
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