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Landeshauptstadt: Fall David Fischer: Revision begründet

Bundesrichter fordern Potsdamer Landgericht auf, Vorgeschichte des Totschlags näher zu beleuchten

Stand:

Im Revisionsverfahren um den gewaltsamen Tod des Potsdamers David Fischer soll das Landgericht deutlicher als bisher die Vorgeschichte des tödlichen Messerstichs auf den 21-Jährigen würdigen – und einen psychiatrischen Sachverständigen bestellen. Dies geht aus der Begründung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu seinem Urteil vom 30. August hervor, das den PNN vorliegt. Damals hatte der 5. Strafsenat zwar das Totschlagsurteil gegen den inzwischen 19-jährigen Ajmal K. bestätigt. Jedoch muss das Strafmaß neu verhandelt werden. Der gebürtige Afghane aus Potsdam hatte in der Nacht zum 17. Juni 2006 bei einer Massenschlägerei auf der Charlottenstraße ein Messer gezogen. Obwohl sich die Situation offenbar bereits beruhigte, sei er laut Gericht auf David Fischer zugegangen und habe ihm das Messer „kraftvoll“ in die Herzgegend gestoßen. Das Opfer starb am Tatort. Dafür hatte das Potsdamer Landgericht Ajmal K. zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Die Bundesrichter bemängeln nun die Begründung für die Höhe der Strafe. So habe das Landgericht „keine hinreichenden Erwägungen zur Schuldfähigkeit“ des Angeklagten angestellt. Dies hätte wegen der „ungewöhnlichen Diskrepanz“ zwischen Tat und der Persönlichkeit von Ajmal K. geschehen müssen. Zudem sei die Persönlichkeit des Täters und sein „nahezu mustergültiger Werdegang“ bei der Strafzumessung zu wenig erörtert worden, obwohl dies „gewichtigere Milderungsgründe“ als beispielsweise sein Teilgeständnis seien. Im Gericht war der zur Tatzeit 18-jährige Täter als tolerant und zuverlässig bezeichnet worden. Während der Attacke stand er nicht unter Alkohol. Auch deswegen müsse laut den Bundesrichtern nun ein psychiatrischer Sachverständiger hinzugezogen werden. Dies sei bei Jugendstrafsachen in der „Mehrzahl“ der Fälle nötig, erklären die BGH-Richter ihren Potsdamer Kollegen. Der Gutachter müsse entscheiden, ob die „Steuerungsfähigkeit des Angeklagten“ eingeschränkt war, er also etwa im Affekt handelte. Sollte der Experte dies so sehen, kann bei Totschlag eine mildere Strafe ausgesprochen werden. Nicht ausschließen wollen die BGH-Richter, dass im zweiten Urteil auch eine so genannte Maßregel möglich sein könnte: Dazu gehören Sicherungsverwahrung oder eine psychiatrische Klinik.

Um einen Affekt nachzuprüfen fordern die Bundesrichter das Potsdamer Landgericht auch auf, die Vorgeschichte des tödlichen Stichs stärker einzubeziehen. Wie bekannt war in einer Bar in der Charlottenstraße ein Streit zwischen zwei Gruppen Jugendlicher eskaliert, bei dem auch David Fischer beteiligt war. Mehrere junge Leute, meist mit Migrationshintergrund, waren kurz danach vom Wirt vor die Tür gesetzt worden. Nach Ansicht des Gerichts waren David und sein Cousin Peter K. ihnen danach „brüllend“ hinterhergerannt und hätten die Schlägerei auf der Straße fortgesetzt. Möglicherweise, so die Richter, hätten David und Peter K. andere Personen dabei mit „ausländerfeindlichen“ Parolen beleidigt. Jedoch hatte Peter K. öffentlich immer behauptet, dass er nicht an der Straßenschlägerei beteiligt war. Nur in der Bar sei er provoziert und verprügelt worden. Später habe er David aus den Augen verloren, die Kneipe allein verlassen und einen Menschenauflauf gesehen, David nicht erkannt und angenommen, dieser sei nach Hause gegangen. Auf dem Weg zu einem Taxi habe ihn ein Polizist noch befragt, was los sei. Erst tags darauf habe er vom Tod seines Cousins erfahren. Im ersten Prozess im Januar hatten Zeugen allerdings Peter K. als Beteiligten der Schlägerei identifiziert. Er selbst wurde nicht gehört.

Es sind solche ungelösten Widersprüche, die das Landgericht in einer neuen Verhandlung klären könnte. Der Termin dafür ist laut Gericht noch unklar. Der Fall birgt politische Brisanz, weil er zu einer emotionalen Debatte über Ausländerkriminalität in Potsdam führte. Die NPD und rechtsextreme Organisationen hatten ihn als angebliches Indiz für ausländerfeindliche Thesen genutzt: Deutsche seien in ihrem Land „Opfer zweiter Klasse“ und vor Ausländern nicht mehr sicher.

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