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Thomas Walde wurde Opfer einer Jahrhundertfälschung.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Falsche Hitlertagebücher: Skandale altern nicht Thomas Walde verantwortete ihre Veröffentlichung im Stern und muss immer wieder darüber sprechen

„Ich muss immer wieder Auskunft über dieses Desaster geben, hätte ich es nicht getan, wäre ich daran zugrunde gegangen“, sagt Thomas Walde über Ankauf und erste Veröffentlichungen der Hitlertagebücher durch den „Stern“, die sich als hahnebüchene Fälschung herausstellten. Als Leiter des Ressort Zeitgeschichte beim „Stern“ und Chef des Rechercheurs Gerd Heidemann war er für all die jahrelangen Nachforschungen und die leider viel zu ungenauen Nachprüfungen der Echtheit der Tagebücher letztlich verantwortlich.

„Ich muss immer wieder Auskunft über dieses Desaster geben, hätte ich es nicht getan, wäre ich daran zugrunde gegangen“, sagt Thomas Walde über Ankauf und erste Veröffentlichungen der Hitlertagebücher durch den „Stern“, die sich als hahnebüchene Fälschung herausstellten. Als Leiter des Ressort Zeitgeschichte beim „Stern“ und Chef des Rechercheurs Gerd Heidemann war er für all die jahrelangen Nachforschungen und die leider viel zu ungenauen Nachprüfungen der Echtheit der Tagebücher letztlich verantwortlich. Am Montagabend hatte ihn der Potsdamer Service-Club Round Table in die Strandbar eingeladen, und die war so gut gefüllt, dass immer mehr Stühle hereingetragen werden mussten. Ein Skandal verliert seine Anziehungskraft offenbar nie, auch nach über 25 Jahren nicht. Mit den Round-Tablern ist Walde übrigens auf besondere Weise verbunden. Mitglied Torsten Rüther war sein Mitarbeiter bei Radio Hamburg. Dorthin hatte es Walde als Chef vom Dienst verschlagen, als er wegen des Tagebuch-Skandals beim „Stern“ kündigte.

Das Magazin hatte am 25. April 1983 erklärt, dass es Hitlers geheime Tagebücher besitze und das in einer großen Pressekonferenz publik gemacht, denn der „Stern“ hatte schon die internationale Vermarktung angekurbelt. Eine Woche später platzte die Bombe: Die Tagebücher waren eine Fälschung des Superschlitzohrs und Militaria-Sammlers Konrad Kujau. Das Magazin hatte bis dahin für Recherchen und den Ankauf von 62 Tagebuch-Bänden über neun Millionen DM ausgegeben.

Als die Filmsatire „Schtonk“ herausgekommen sei, habe er darüber zum ersten Mal lachen können, meint Walde. Aber auch noch 25 Jahre danach sitzt bei ihm der Schock über den Fälscher-Skandal offenbar tiefer als ein befreiendes Gelächter. „Ich möchte aus meiner Sicht schildern, warum wir dem Betrug aufgesessen sind“, sagt er und versucht das dann über fast zwei Stunden. Dass ein echtes Hitlertagebuch eine Sensation gewesen wäre, daran lässt er keinen Zweifel, egal wie trivial die Auslassungen auch immer sein mochten. Nazi-Devotionalien hatten 1980 längst wieder Hochkonjunktur und Heidemann war ein geradezu fanatischer Sammler von Göring-Hinterlassenschaften. Bei Geschäften damit hatte er den Industriellen Fritz Stiefel kennengelernt und der wiederum ließ ihn einen Blick auf ein Hitler-Tagebuch tun, verkaufen wollte er es allerdings nicht. Deshalb setzte sich Heidemann in die Spur und versuchte selbst an weitere Tagebücher zu kommen, die sich angeblich in einem bei Börnersdorf abgestürzten Flugzeug befunden hatten. Mühsam, so schildert es Walde, habe Heidemann Fakten zusammengetragen und sich keineswegs an Verlagsgeldern bereichert. Der Vorwurf, den man ihm wie Heidemann machen könne, liege auf ganz anderer Ebene. Es sei eben nur immer in eine Richtung geschaut worden. Man wollte die Tagebücher finden. Da seien Indizien, die auf eine Fälschung hindeuteten, nicht oder zu spät erkannt worden.

Auch gefälschte Tagebücher haben übrigens ihren Wert. Zwei davon lägen im Kriminalmuseum Hamburg, sagt Walde auf Nachfrage, zwei seien geklaut worden. Der Rest, der in die Schweiz transferiert worden sei, um die Tagebücher nicht ans Land Bayern abgeben zu müssen, sei wahrscheinlich verschollen. Walde betont, dass er seine Erkenntnisse über Rechercheprüfungen und den Umgang mit der Wahrheit immer wieder gern zur Verfügung stelle. Man müsse sie nur hören wollen. Hella Dittfeld

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