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Doppelte Belastung. Eine Karriere als Wissenschaftlerin und Mutter verlangt Frauen und Kindern noch immer viel ab. Nicht zuletzt geht es auch um das Wohl der Kinder in der Hochschule, so etwa bei der Qualität der Kinderbetreuung.

© FHP

Von Annette Dreier: Familien sind willkommen

Brandenburgische Hochschulen wollen „Kinder und Karriere“ zusammenbringen

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Familienfreundlichkeit ist spätestens seit der Verabschiedung des Qualitätsversprechens „Kinder und Karriere“ im Jahr 2008 ein wichtiges Thema für die Brandenburgischen Hochschulen. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und dem „Wettbewerb um kluge Köpfe“ geht es um die Wertschätzung von Elternschaft und Familienverantwortung. Auch die Schaffung von unterstützenden Strukturen für Mütter und Väter wie etwa Kinderbetreuungsangebote, Still- und Wickelräume, Wohnungsangebote für Studierende mit Kind, Flexibilisierung der Studien- und Arbeitsmöglichkeiten an den Hochschulen.

Diese Angebote tragen auch der Entwicklung einer neuen Identität von Frauen Rechnung, die gut ausgebildet, beruflich erfolgreich und Mutter sein wollen, aber auch von Männern, die mehr Anteil am familiären Alltag und dem Leben ihrer Kinder nehmen wollen.

Die politischen Maßnahmen konzentrieren sich auf finanzielle Anreize für die Elternschaft – Stichwort: Elterngeld–, neue rechtliche Rahmenbedingungen sowie den qualitativen und quantitativen Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung. Ebenso wichtig ist, mehr Optimismus und Gelassenheit im Umgang mit Kindern an den Tag zu legen, also Kindern und Familien zu signalisieren, dass sie willkommen sind, und kindliches Verhalten – Ausgelassenheit wie auch Trotz – zu tolerieren und auszuhalten.

Bei allen Maßnahmen sollte Eltern größtmögliche Wahlfreiheit geboten werden. In Abhängigkeit von ihrer persönlichen Situation, ihren Bedürfnissen und den Bedürfnissen der Kinder sollen Eltern wählen können, ob sie der Kinder wegen pausieren, ihr Studium in begrenztem Umfang fortführen oder aber schnell zu Ende bringen und eine entsprechende Fremdbetreuung benötigen. Es geht um ein Höchstmaß an Flexibilität für Eltern bezogen auf Stundenpläne, Anwesenheitspflichten, Termine und Fristen; es geht um die Anrechnung von außerhalb der Hochschule, sprich: familiär, erworbenen Kompetenzen bei der Zulassung zum Studium. Nicht zuletzt geht es um das Wohl der Kinder in der Hochschule: bei der Qualität der Kinderbetreuung, den Beziehungen zwischen Eltern und Betreuungspersonen sowie einer möglichst ansprechenden Umgebung.

Es ist ärgerlich und gegen das Prinzip der Chancengleichheit, dass die Erziehungsverantwortung und der Rechtfertigungsdruck für kindliche und berufliche Belange noch immer stärker auf den Müttern lasten. Dies fängt bei der Betreuung im Kleinstkindalter an und setzt sich bis zur Hausaufgabenbetreuung und Freizeitgestaltung im Schulalter fort. Berufstätige und studierende Mütter kennen das Gefühl der Zerrissenheit und stehen unter dem Druck, dass Kinder früh lernen müssen zu funktionieren, da Krankheit und andere Unwägbarkeiten im Berufsalltag der Mütter häufig als lästig empfunden werden. Dies gilt auch bei Qualifikationsvorhaben, wo Termine und Fristen einzuhalten oder Altersgrenzen gesetzt sind und auch für die Lehre in Hochschulen, die ungeachtet von Krankheit und Schulferien der Kinder sichergestellt werden muss. Dazu ist ein gutes, teilweise rigides Zeitmanagement notwendig, um Arbeiten bzw. Studieren und Kinder unter einen Hut zu bekommen. Mütter wie Kinder leiden unter diesem Druck und wünschen sich manchmal nichts weiter als mehr Zeit! Zeit ist mit die wertvollste Ressource, die berufstätige Mütter häufig nicht haben. An Hochschulen kollidieren die Bedürfnisse der Kinder und Mütter mit den häufig ausufernden und späten Besprechungsrunden und dem anschließenden „Networking der Männer“.

Eine Karriere als Wissenschaftlerin und Mutter verlangt Frauen und Kindern noch immer viel ab. Besondere zeitliche Arrangements, die dem Nebeneinander von wissenschaftlicher Qualifikation und Erziehungsverantwortung Rechnung tragen, gute und flexible Kinderbetreuungsangebote und der Ausbau von Stipendiensystemen tragen dazu bei, die Situation von Nachwuchswissenschaftlerinnen zu verbessern, und können dazu führen, den Frauenanteil, der bei den Abiturienten und Studierenden noch bei über 50 Prozent liegt, auf längere Sicht auch bei den Dissertationen, Habilitationen und Professuren zu erhöhen.

Die Autorin ist Professorin für Pädagogik der Kindheit an der Fachhochschule Potsdam und leitet den Studiengang „Bildung und Erziehung in der Kindheit“.

Annette Dreier

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