zum Hauptinhalt

Aus dem GERICHTSSAAL: Farbbomben im Kinderwagen Politischer Protest mit falschen Mitteln

„Das Auto der ,Bürgerbewegung pro Deutschland’ wollte ich schon treffen“, bekannte Sophie S.* am gestrigen Mittwoch verlegen vor dem Jugendgericht.

Stand:

„Das Auto der ,Bürgerbewegung pro Deutschland’ wollte ich schon treffen“, bekannte Sophie S.* am gestrigen Mittwoch verlegen vor dem Jugendgericht. „Aber ich kann unglaublich schlecht werfen.“ So klatschten am 18. September vorigen Jahres in der Dortustraße zwei Farbbeutel auf die Karosserien zweier in der Nähe stehender Polizeifahrzeuge, verteilten ihren Inhalt großräumig auf dem Blech. Die unfreiwillige Lackierung haftete wie Pech und konnte erst durch Profis entfernt werden. Kosten: 95 Euro. Mit dieser Aktion wollte die damals 18-Jährige auf einer Wahlkampfveranstaltung ihren Unmut über den politischen Inhalt der Bewegung kundtun.

Zwei Tage später wollte die Blondine auf dem Johannes-Kepler-Platz gegen die NPD protestieren. Diesmal versteckte sie zwei Farbbomben in Rosa und Grün in einem Kinderwagen, den sie auf dem Sperrmüll gefunden hatte. Das kam den Polizisten, die die Wahlkampfveranstaltung absicherten, suspekt vor. Als Sophie S. sich weigerte, ihren Namen zu nennen oder den Ausweis zu zeigen, wurde sie von einem Beamten festgehalten. Diesem Griff soll sich die Potsdamerin gewaltsam widersetzt haben.

„Alles stimmt so, wie es die Staatsanwältin vorgelesen hat“, räumte Sophie S. ein. „Ich wollte niemanden verletzen, deshalb habe ich bewusst Farbbeutel genommen.“ Inzwischen habe sie eingesehen, dass sie zu den falschen Mitteln gegriffen habe. „So etwas kommt bestimmt nicht wieder vor“, beteuerte die wegen Sachbeschädigung, Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte Angeklagte.

„Es ist nicht schlecht, wenn sich junge Menschen politisch betätigen und gegen Rechts positionieren.“ Nur scheine es ihr, Sophie S. habe ihren Platz im Leben noch nicht gefunden, sagte die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe.

Deshalb habe sie vor, jetzt ein Jahr lang nach Norwegen zu gehen, um auf einem Öko-Hof zu arbeiten und über die passende Berufsausbildung nachzudenken, ergänzte Sophie S. Besonders Kühe hätten es ihr angetan. „Ich lerne Norwegisch und spreche schon ganz gut“, schätzte die Angeklagte ein, die die Schule nach der 11. Klasse abbrach und wieder bei ihren Eltern lebt. In zwei oder drei Monaten solle die Reise losgehen.

Vorher muss die inzwischen 19-Jährige aber erst einmal gemeinnützig arbeiten. 40 Stunden sollten es schon sein, befand die Jugendrichterin und stellte das Verfahren gegen die bislang Unbescholtene mit Zustimmung aller Prozessbeteiligten ein. „Bis zum 10. Oktober haben Sie dafür Zeit. Klappt das nicht, wandern Sie in den Arrest. Dann hat sich das mit Norwegen erst einmal erledigt“, warnte sie. (*Name von der Redaktion geändert.) Hoga

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })