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Landeshauptstadt: „Fast die Hölle“

Diskussion zur Situation Potsdamer Flüchtlinge

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Innenstadt – Die Stadt prüft momentan die Unterbringungsmöglichkeiten von Asylbewerbern und Flüchtlingen: Man sei bestrebt, „Alternativen zu finden“, sagte Elona Müller, die Sozialbeigeordnete, am Freitagabend auf einer Podiumsdiskussion im studentischen Kulturzentrum (KuZe) in der Hermann-Elflein-Straße 11. Hintergrund ist das Ende des Zehn-Jahres-Vertrags mit der AWO im Sommer 2008, die das „Asylübergangsheim“ am Lerchensteig betreibt. Für die dezentrale Unterbringung fehle es an bezahlbaren Wohnungen, so Müller. Sie halte eine „Gemeinschaftsunterkunft“ allerdings weiterhin für notwendig. Geld für einen Neubau gebe es nicht.

Zu der Diskussion am Abend des „Tags des Flüchtlings“ hatten die Flüchtlingsberatungsstelle des Diakonischen Werks und die Ausländerseelsorge des Evangelischen Kirchenkreises eingeladen. Mehr als 50 Gäste, darunter etliche Betroffene, diskutierten lebhaft über die Situation von Flüchtlingen in Potsdam.

Katrin Böhme, Leiterin der Flüchtlingsberatungsstelle, sprach von „Pauschalisierung und Vorverurteilung“ gegenüber Flüchtlingen im städtischen Sozialamt: Könnten geduldete Flüchtlinge dort keinen Pass vorweisen, würde ihnen pauschal die „Identitätsverschleierung“ unterstellt und die Leistungen zusätzlich gekürzt. Das betreffe einen „großen Personenkreis“, so Böhme. Sie werde mit den Mitarbeitern reden, versprach Müller.

Die Sozialbeigeordnete kritisierte die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes: Seit August müssen Flüchtlinge demnach vier statt bisher drei Jahre lang von maximal 224,27 Euro im Monat leben. Die Stadt habe aber entschieden, die Leistungen nicht nachträglich zu senken. „Asylrecht und Ausländerrecht ist Bundesrecht“, stellte Müller außerdem klar.

Er fühle sich „hilflos und wehrlos“, erzählte Atem Ntarh Gad, Flüchtling aus Nigeria, der seit sechseinhalb Jahren im Heim am Lerchensteig wohnt: „Das Leben dort ist fast die Hölle.“ Er kritisierte die schlechte Busanbindung und den üblen Geruch vom nahe liegenden Klärwerk. Im Heim habe er keine Integrationsmöglichkeit, weil er keine Kontakte zu Deutschen pflegen könne, sagte der Flüchtling: „Dafür ist eine richtige Wohnung wichtig!“ Auch Pranvera Sejdiu, die vor 13 Jahren mit ihren Eltern aus dem Kosovo nach Deutschland flüchtete, erinnerte sich an den anderthalbjährigen Aufenthalt im Heim: Weil es ihr so peinlich gewesen sei, habe sie ihren Schulfreunden damals erst gar nichts davon erzählt. „Ich verstehe das nicht, dass man nach 13 Jahren noch Flüchtling genannt wird“, sagte sie am Freitag. Jana Haase

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