Landeshauptstadt: Feierabendheim hat neue Eigentümer
Architekten kauften Welterbegarten in Klein Glienicke und wollen „das Italienisierende herauskitzeln“
Stand:
Klein Glienicke - Neues Leben im alten Feierabendheim: Das 9300 Quadratmeter große Gartengelände mit den denkmalgeschützten Häusern im ehemaligen Grenzgebiet ist am Dienstag von der Wilhelm-von-Türk-Stiftung und dem Landesausschuss für Innere Mission (Lafim) verkauft worden. Käufer ist das Architekturbüro Kühn-von Kaehne und Lange aus Klein Glienicke. Das Konzept der neuen Eigentümer sieht zwölf Eigentumswohnungen vor sowie eine öffentliche Ausstellung in einem Bereich des Hauses sowie eine Gartenanlage nach historischem Vorbild vis á vis vom Jagdschloss Glienicke. Neubauten soll es jedoch auf dem weitläufigen Gartengrundstück, für das Gestaltungspläne von Peter Joseph Lenné existieren, nicht geben, sagte Architekt Gerald Kühn-von Kaehne gestern gegenüber den PNN.
Gemeinsam mit der Landschaftsarchitektin Manuela Arndt und dem früheren Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Prof. Michael Seiler, soll der Garten im Gebiet des UnescoWelterbes in seine frühere Form gebracht werden. Der Obstgarten, auch mit Maulbeerbäumen, als „Frucht bringende Begegnungsfläche“ sei geplant, erklärten die Neueigentümer gestern. Es gebe jedoch keine Belege, dass der Lennésche Entwurf je umgesetzt worden ist, so die Kunsthistorikerin Pia von Kaehne. Auch die Maulbeerbäume und die damit verbundene Seidenraupenzucht, die Carl Christian Wilhelm von Türk einst in Klein Glienicke unterhielt, sei auf dem Grundstück nicht nachgewiesen. Sie habe im Park des benachbarten Schlosses stattgefunden.
Türk, Jurist und Pädagoge, gründete 1832 im Jagdschloss Glienicke ein Waisenhaus, das nach dem Bau der 1858 von Ferdinand von Arnim errichteten Häuser in der heutigen Wilhelm-Leuschner- Straße dahin umzog. Die Jahreszahl am Gebäude, direkt unter dem Schriftzug „Feierabendheim“, deutet also nicht auf das Baujahr, sondern auf die Gründung der von Türk initiierten Waisenversorgungsanstalt hin. Türk selber, geboren 1774 in Meiningen, gründete seinerzeit in Potsdam eine Schwimmanstalt, zwei Waisenhäuser und eine Kinderbewahranstalt. Er starb am 30. Juli 1846 und ist auf dem Friedhof Klein Glienicke begraben. Sein Heim geriet zu Zeiten des Kalten Krieges nahezu in Vergessenheit. Wie auch das Haus selber, das bis zum Anfang der 1990er Jahre als so genanntes Feierabendheim im Grenzgebiet, direkt an der Mauer, diente. Die Zustände darin sind direkt nach der Wende von Medien aufgegriffen und als katastrophal bezeichnet worden.
Im vergangenen Jahrzehnt stand das Gebäude zum großen Teil leer. Nur ein Teilbereich wurde saniert, jedoch nicht unter den Gesichtspunkten des Denkmalschutzes. Das sei nun oberste Maßgabe, sagten Gerald Kühn-von Kaehne und Eberhard Lange. Die Wiederherstellung des Originalzustandes, „das Italienisierende wieder herauskitzeln“, so Lange, hätten sich die Architekten zur Aufgabe gemacht. Wie Pia von Kaehne erklärte, sei das kurfürstliche Kolonistendorf im 19. Jahrhundert von Prinz Carl zu einem als Schweiz interpretierten Gartenraum umgestaltet worden. Die Kulisse dazu bietet der Böttcherberg, die Dorfarchitektur entstand im alpinen Stil.
Seit nunmehr sieben Jahren verfolgten die Architekten das Projekt – mal mehr und mal weniger intensiv. „Bereits 1999 haben wir uns erstmals um den Kauf bemüht“, so Gerald Kühn-von Kaehne, der einige Meter entfernt in Klein Glienicke lebt. Doch damals habe es noch keinen gültigen Bebauungsplan gegeben und der Grundstückspreis sei in der Annahme, dass weitere Häuser gebaut werden dürften, zu hoch gewesen. Inzwischen steht jedoch fest: Das Gelände ist als Garten ausgewiesen und darf nicht bebaut werden. Die Türk-Stiftung als Teil der Landesanstalt für Mission (Lafim) hatte immer wieder Bewerber, das Gelände zu veräußern. Auch ein Maklerbüro war zwischenzeitlich damit beauftragt, das Grundstück zu veräußern. Am Dienstag nun wurde der Kaufvertrag unterzeichnet. Über den Grundstückspreis sei Stillschweigen vereinbart worden. Nun wollen die beiden Architekten ein Gebäude zum Wohnen für Familien mit Kindern neben älteren Menschen verwirklichen. Generationenübergreifendes Wohnen auf 1700 Quadratmetern sei geplant. Als Idee steht dabei eine Bauherrengemeinschaft. Die öffentliche Nutzung eines Teils des Gebäudes soll die Ausstellung zur Historie des Hauses beinhalten.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: