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Geburtstagskind. Mykhaylo Tkach feierte in den Gemeinderäumen.

©  Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Feiern im Provisorium

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Mykhaylo Tkach, ist 75 Jahre alt geworden. Der Ukrainer hat viel erlebt, zum Beispiel als Helfer in Tschernobyl

Von Katharina Wiechers

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Innenstadt - Eigentlich möchte Mykhaylo Tkach gar nichts über seine Vergangenheit in der Ukraine sagen. „2001 bin ich nach Deutschland gekommen, von da an fängt eine neue Zeitrechnung an“, sagt er. Doch weil der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Potsdam am gestrigen Dienstag seinen 75. Geburtstag feiert und viele Gratulanten ihn über sein Leben ausfragen, erzählt er schließlich doch ein paar Details aus seiner Biografie: Aufgewachsen sei er in der Nähe von Kiew, seinen Abschluss als Ingenieur habe er 1966 in der heutigen ukrainischen Hauptstadt gemacht. Später war er bei einem Verband tätig, wie er erklärt, der mehrere technische Firmen vertat. „Mein Spezialgebiet war die Metrologie“, sagt er, also die Lehre von den Maßen.

Doch als Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der ebenfalls zum Gratulieren in das Gemeindehaus gekommen war, nach seiner Arbeit in Tschernobyl fragt, winkt Tkach ab. Ja, er habe als sogenannter Liquidator nach der Reaktorkatastrophe gearbeitet, sagt er. Er war also einer der Männer, die für die Eindämmung des Unglücks, für die Liquidierung der radioaktiven Strahlung zuständig waren. Sie mussten nach dem Nuklearunfall den verstrahlten Schutt beseitigten – hierfür zunächst eingesetzte Roboter hatten versagt. Doch Tkach will über diese Zeit nicht reden, auch nicht, ob er Spätfolgen hat. „Das ist vorbei“, sagt er. Er erwähnt lediglich noch, dass er für seinen Einsatz eine Rente vom Staat erhalten hat. Doch seit er die Ukraine verlassen hat, bleibt die Zahlung aus.

Lieber spricht Tkach über die „neue Zeitrechnung“, sein Leben in Deutschland. 2001 kam er aus der Ukraine nach Potsdam, noch im selben Jahr wurde er Mitglied der Jüdischen Gemeinde. Seit 2004 ist er Vorstandsmitglied, vor zwei Jahren wurde er zum Vorsitzenden gewählt.

Sein Leben in der Ukraine hat er seitdem weitgehend zurückgelassen, nur zweimal war er seit dem Umzug nach Deutschland in seiner Heimat. „Ich bin Potsdamer“, sagt Tkach.

Auch fast seine ganze Familie lebt in Deutschland: Der Bruder wohnt in Potsdam, die Schwester in Berlin, genauso Tkachs Mutter. „Sie ist schon 95 Jahre alt“, sagt er stolz. Er und seine Frau, mit der er in Babelsberg wohnt, haben zwei Kinder. Die Tochter arbeitet in der Finanzbranche und lebt in Frankfurt am Main mit einem Japaner zusammen, der Sohn ist Rechtsanwalt in Potsdam und mit einer Bulgarin verheiratet. Insgesamt vier Enkel haben sie den Tkachs schon beschert.

Gefeiert hat Tkach übrigens in den Räumen der Jüdischen Gemeinde in der Werner-Seelenbinder-Straße. In die ehemalige Feuerwache wurde die knapp 380 Mitglieder zählende Gemeinde einquartiert, als ihr bisheriges Domizil in der Schloßstraße abgerissen wurde. Eigentlich sollte der Bau in der Werner-Seelenbinder-Straße nur ein Provisorium für etwa ein Jahr sein, dann sollte die neue Synagoge am alten Standort fertig sein. Doch um die Gestaltung entbrannte ein Streit, das Land verhängte einen Baustopp und versucht seitdem, zwischen den zerstrittenen Parteien zu vermitteln. So wurden aus dem Jahr mittlerweile drei Jahre. Und es dürften mindestens vier werden. Katharina Wiechers

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