Landeshauptstadt: Felsenfest wie die Loreley
Trotz schwieriger Wirtschaftslage der deutschen Filmindustrie glaubt Robert Krüger, dass es weiter geht. Der Mythos, sagt der Leiter der Filmkunstmaler im Art Department, macht Babelsberg unsterblich
Stand:
Die Lage ist ernst. Das Art Department, Tochter von Studio Babelsberg, plant 40 seiner 90 Beschäftigten zu entlassen. Eine Botschaft, die Robert Krüger nicht besonders unruhig macht. Betriebsrat und Studio-Geschäftsführung stünden am Anfang der Verhandlungen, sagt der Leiter der Kunstmaler im Art Department. Er ist Realist: Wenn am Ende Mitarbeiter entlassen werden müssten, sei dies zwar ohne Zweifel schlimm für den Einzelnen, rette aber womöglich das Unternehmen. Ein hoch subventionierter Betrieb wie zur DDR-Zeit, in der „Kunst als Waffe“ galt, sei unter heutigen wirtschaftlichen Bedingungen einfach undenkbar und auch nicht überlebensfähig.
Trotz mehrfacher struktureller Anpassung ist die Existenz der Studio-Tochter Art Department jetzt bedroht. Die Geschäftsführung schließt eine Insolvenz nicht aus. Der Anfang vom Ende? Ein Aus für die Filmstadt Babelsberg werde es nicht geben, ist Robert Krüger überzeugt. „Die werden hier nicht die Hallen abreißen und eine Kühlschrankfabrik hinbauen“, sagt der 48-Jährige. Ebenso wenig würde man den Loreley-Felsen abtragen, um daraus Pflastersteine zu machen. Es sei der Mythos, der Babelsberg unsterblich mache, sagt Krüger.
Und er ist ein Teil davon. Seit 20 Jahren – er feiert in diesem Jahr sein Dienstjubiläum – arbeitet er auf diesem traditionsreichen Gelände zwischen Großbeerenstraße und Marlene-Dietrich-Allee.
Angefangen habe er als Bildhauer. Als er aber gemerkt habe, dass er seine Skulpturen weiß abliefert und ein anderer sie bemalt, schwenkte er um und wurde Kunstmaler. „Ich wollte Dinge fertig machen.“ Er sei kein Künstler, wie er betont. „Wenn wir wirklich gut sind, ist unsere Arbeit nicht zu sehen.“ Obwohl sein Beruf ein sehr kreativer sei, bleibe kein Raum für Eitelkeiten. Die Dekomaler setzten Ideen um, die andere Menschen auf langen Flügen bekämen. Er habe eine Vielzahl von Entwürfen als Skizze auf einer Serviette irgendeiner Fluggesellschaft bekommen.
Krüger malt die „Mona Lisa“ in zwei Tagen oder einen van Gogh oder einen Goya, Gemälde, die allesamt beim schnellen Hinsehen kaum vom Original zu unterscheiden sind. Wenn der Abteilungsleiter Oberflächen aber als „Kujau von Babelsberg“ und sein Team als „Fälscherbande“ bezeichnet wird, winkt der sehr humorvolle Mann ab. „Wir machen Kopien, keine Fälschungen.“
Auch solche von Landschaften, Sonnenuntergängen und Häusermeeren. Auf riesige Prospekte bringen sie ihre Farben auf. Mit dem Schrubber, einer Malerquaste oder für filigrane Arbeiten mit dem Pinsel. Vor der Größe habe er auch nach all den Jahren ganz schönen Respekt. „Du steht vor den 300 oder 500 Quadratmetern Leinwand und hast immer noch Bammel vor dem ersten Strich“, erzählt der 48-Jährige. Mit einem ersten Pinselstrich entstand auch der Zauberwald aus der „Unendlichen Geschichte“, Teil III, in dem der Drache Fuchur notlanden musste. Oder die gelb-milchig getrübte Aussicht von Hollywood auf das versmogte Los Angeles für den Film „Marlene“.
Ein paar seiner Meisterwerke hat Robert Krüger in einem Fotoalbum zusammengestellt: „Für Hausfrauen, japanische Besucher und Roman Polanski“, scherzt der Abteilungsleiter. Oscar-Preisträger Polanski ist begeisterter Anhänger der Babelsberger Fertigungskunst. Ebenso wie sein Set-Designer William Dudley, der erst vor wenigen Tagen die in Babelsberg gefertigten Kulissen für die Berliner Inszenierung vom „Tanz der Vampire“ abnahm. Ganz Brite schritt er Prospekte und Bühnenbauten ab. Dann sagte er nahezu ausdruckslos: „Das ist das Beste, was ich jemals gesehen habe.“ Da sei man dann doch mächtig stolz, sagt Krüger, der sich gerne als Teil eines Teams versteht. „Du bist nichts ohne die Menschen, mit denen du arbeitest.“
In den zwei Jahrzehnten seines beruflichen Wirkens haben sich die Zeiten mehrfach gewandelt, das Studio habe sich auf die neuen Bedingungen eingestellt, vielleicht manchmal auch zu schnell. Gleich nach der Wende seien ein moderner Spritzcomputer und eine Mischmaschine angeschafft worden, um sofort auf dem West-Standard zu sein. Es drängten viele Quereinsteiger in die Branche, verkannte Künstler, die einfach etwas Einträchtiges machen wollten. Inzwischen kehre man wieder zur Tradition zurück, stellt der Altmeister fest und klingt erleichtert. Zu seiner Abteilung gehören sieben Festangestellten und drei Lehrlinge – zwei im Bereich Bühnenmalerei und Plastik, einer werde Maler und Lackierer. Die Ausbildung beginne mit Pinselauswaschen und Farbenreiben. „Man spürt, wenn da einer rein gewachsen ist“, sagt Krüger, der selbst auch so angefangen hat.
Man muss nicht der Beste sein, aber den Besten kennen, ist noch so eine Weisheit des 48-Jährigen, der schon mit den Großen des internationalen Films zusammengearbeitet hat. Auch das nimmt ihm die Angst vor dem ungewissen Morgen. So bald ein Großauftrag reinkommt, kann er auf einen 50-köpfigen Mitarbeiterstamm zurückgreifen. „Ein surreales Gebilde von Freiberuflern“, die von überall aus der Welt kämen und hervorragende Arbeit ablieferten. „Das, was wir gelernt haben, ist unser Kapital.“ Sollte also trotz jetzt auszuhandelnder Rettungsversuche das Art Department aufgelöst werden, landeten er und seine Leute nicht auf der Straße, sagt Krüger. Dann müsse einfach eine neue Struktur her und sich jemand den Hut aufsetzen, erklärt der Kunstmaler und schlägt sich mit der flachen Hand auf den Kopf.
Nicola Klusemann
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: