Landeshauptstadt: Fernseher in der Sonnenblende
Ein Potsdamer Autosattler, der Wahl-Bremer geworden ist, erfüllt extravagante Wünsche und reist dazu um den halben Globus
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Ein Potsdamer Autosattler, der Wahl-Bremer geworden ist, erfüllt extravagante Wünsche und reist dazu um den halben Globus Von Claudia Kuzaj Für den Sultan von Oman stickte er das Wappen mit goldenem Faden auf die Kopfstützen seiner BMW. Für einen russischen Politiker baute er Bildschirme in die Sonnenblenden seines Mercedes ein. Und die Sitze eines Chevrolets aus dem Jahr 1927 bezog er für einen Oldtimer-Liebhaber aus Hamburg mit dunkelblauem Leder – passend zum Lack. Zu den Kunden von Jens Stahl gehören millionenschwere VIPs aus aller Welt ebenso wie Menschen aus dem Nachbarort. In seiner Autosattlerei in der Nähe von Bremen erfüllt der Wahl-Stuhrer, der eigentlich aus Potsdam kommt, ihnen jeden noch so ausgefallenen Sonderwunsch. So war es die Farbe Rot, für die sich einer seiner Kunden entschieden hatte. Schwarz war der Mercedes SL außen lackiert, rot sollte er aber innen aussehen. Dabei beschränkte sich der Kunde, eine Autoverleihfirma aus Großbritannien, aber nicht auf die Sitze des Luxuswagens. Rot sollte Stahl alles beziehen - von den Armaturen übers Lenkrad bis zu den Sonnenblenden. Später wollte die Firma das Auto an Ölmilliardäre aus Saudi-Arabien verleihen. „Die mögen so etwas“, sagt Stahl. Fast die Hälfte aller fertigen Autos geht ins Ausland. „Wenn der Wagen in einer Woche an Bord eines Schiffes nach Übersee sein soll, wird’s schon stressig für mich“, sagt er. Selten lernt er seine Kunden persönlich kennen. „Das meiste läuft über Zwischenhändler.“ Dennoch kommt es vor, dass der Sattler für einen Auftrag um den halben Globus fliegen muss. So hatte der Sultan von Oman einst moniert, dass seine beiden neu gekauften BMW der Luxusklasse nicht exakt gleich aussahen. Die Sitze des einen Wagen waren am Rand des Polsters mit blauem, die des anderen mit beigefarbenem Leder abgesetzt. Stahl forderte die Vorlagen von BMW per E-Mail an, fertigte auf gut Glück neue Lederbezüge und eilte zum Sultan. „Es hat aber alles gepasst“, erzählt er. Auch weitere der 2500 Wagen, die dem Sultan gehören, hat Stahl neu bezogen. Blau und Bordeauxrot sind dabei die bevorzugten Farben, Velours der bevorzugte Stoff. „Wegen der Temperaturen“, sagt Stahl. Sonst blieben schwitzende Insassen womöglich am Leder kleben. Als seinen ungewöhnlichsten Auftrag nennt der Sattler die Arbeiten in der Limousine eines russischen Politikers. Nicht mehr als drei Wochen Zeit hatte er, das Wageninnere völlig neu auszustatten. Die Sitze bezog er mit beigefarbenen Leder, an der Decke baute er Fernseher und in die vorderen Lehnen Picknicktische ein. Und auch dem Wunsch nach einem Internetanschluss kam er nach. Vor fünf Jahren hat sich der 37-Jährige mit seinem Nischenangebot selbstständig gemacht. Noch in DDR-Zeiten hatte er als Polsterer bei der Post in Potsdam gearbeitet. Zwei Tage bevor 1989 die Mauer fiel, gelang es ihm, mit seiner Familie nach Bochum zu kommen. Dort besuchte er die Meisterschule und fing später bei der auf Autopanzerung spezialisierten Firma Trasco in Bremen an. Aus dieser Zeit stammen viele seiner heutigen Kunden. Andere hörten über Mundpropaganda von ihm. „Wir reparieren hier aber auch ganz normale Sachen“, sagt er. Sei es das aufgeschlitzte Cabrio-Verdeck oder ein Brandloch auf dem Beifahrersitz. Stahl beschäftigt einen Gesellen und einen Auszubildenden. War er am Beginn seiner Selbstständigkeit häufig von den Wünschen seiner Kunden überrascht, kommt das heute kaum noch vor. So erstaunt es den Sattler ebenso wenig, dass einer einen Kindersitz passend zu dem eigenen haben will, noch dass ein anderer nach dem Einbau von Heizungen unter allen Sitzen fragt. Einen allerdings selbst für Stahl nicht alltäglichen Auftrag erteilte ein Bremer Autohändler. Dieser dachte nämlich nicht an ein neues Outfit für seinen Wagen, sondern für seinen Hubschrauber. Dabei sollten nicht nur die Sitze, sondern sogar die Schaltmanschette mit Leder bezogen werden. Stahl nahm vor Ort Maß, baute die entsprechenden Teile aus und fertigte dann die Schablonen an. „Anders wär''s gar nicht möglich gewesen. Denn noch passt ein Hubschrauber nicht in meine Werkstatt rein“, sagt er. Weiteres im Internet: www.autosattlerei-stahl.de
Claudia Kuzaj
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