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Landeshauptstadt: Festhalten am Sozialismus zum Angucken

Plattners Rückzug aus der Mitte: Welche Rolle spielt Potsdams Linke – und wie soll es weitergehen?

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Innenstadt - Hans-Jürgen Scharfenberg war am Mittwoch nicht traurig gestimmt. „Ich sehe keine Veranlassung, in Katerstimmung zu verfallen“, sagte der Linke-Fraktionschef. Vergangenen Freitag hatte Scharfenberg sich mit Hasso Plattner getroffen. Es sei ein „sehr angenehmes Gespräch“ gewesen, sagt der Linke. Plattner, der 68-jährige Mitgründer des Weltkonzerns SAP, der mit seiner Unternehmung Milliarden verdient hat, sei ein „bemerkenswerter Mensch“.

Dass Plattner seine Kunsthalle nicht mehr in Potsdams Mitte bauen und dafür das Hotel Mercure abreißen will, hat Scharfenberg seit Freitag gewusst. Er lobt Plattner dafür: Der Mäzen habe „mit viel Sensibilität und großem Verantwortungsbewusstsein agiert“. Den Vorwurf, er bestimme mit seinem Geld über Stadtentwicklung, könne man ihm nicht machen.

Während viele Unterstützer der Kunsthalle in der Mitte – und des Mercure-Abrisses – in Scharfenberg einen Hauptschuldigen für Plattners Rückzug sehen, will der Linke-Politiker davon nichts wissen. Plattner sei nur konsequent. Schließlich habe er von Anfang an gesagt, er werde nicht gegen den Willen der Potsdamer entscheiden. „Und wir haben niemanden angestiftet, Briefe zu schreiben. Auch eine Demo, die bei uns viele gefordert haben, haben wir nicht gemacht.“ Doch die Linke sprach sich dauerhaft und vehement gegen einen Mercure-Abriss aus – gemeinsam mit der dreiköpfigen Fraktion Die Andere als einzige im Stadtparlament. Die ostdeutsche Kunst, die Plattner in der Halle zeigen will, nahm die Linke als politische Brücke nicht an. SPD, CDU/ANW, Bündnisgrüne, FDP und Bürgerbündnis hatten im Hauptausschuss für den Abriss gestimmt – eine deutliche Mehrheit.

Die Linke habe sich „eine Grundstimmung gegen den Abriss nicht zu eigen gemacht, aber sie ist da“, meint Scharfenberg. Warum die Linke am Mercure festhält, bleibt unverständlich. Scharfenberg erklärte am Donnerstag, es gehe ihm „nicht darum, das Mercure heiligzusprechen und für alle Zeiten zu konservieren“. Es solle nur ein paar Jahre stehen bleiben. Die Gefühle von Menschen, die an dem ehemaligen Interhotel hängen, sollten respektiert werden.

Eigentlich aber, so scheint es, geht es um die Frage, wer in Potsdam das Sagen hat – und wie gespalten die stetig wachsende Stadt ist zwischen Neu-Potsdamern und Alteingesessenen, wobei in Sachen Kunsthalle die Fronten keineswegs geradlinig verlaufen. Auch viele Alt-Potsdamer könnten sich ihre Stadt offenbar gut ohne Plattenbauhochhaus im Zentrum vorstellen. Doch Städtebau in Potsdam war immer schon politisch: Das Hotel ist das markanteste Gebäude aus der DDR-Zeit in der Innenstadt, dessen Abriss bisher nicht beschlossen war. DDR-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht hatte 1967 dessen Bau angeordnet. Sozialistische Architektur statt die der einstigen Preußenresidenz sollte die Stadt prägen. Ein Rest davon bleibt jetzt: Das Mercure wird ohne Plattners Kauf weiter neben dem Stadtschloss mit seiner barocken Fassade in die Höhe ragen.

In der Diskussion um das Hotel hatten sich in den vergangenen Wochen viele prominente Potsdamer für den Abriss ausgesprochen, aber auffällig wenige Politiker. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), früher Oberbürgermeister in Potsdam, hatte zwar Plattners Mäzenatentum gewürdigt, sich aber ansonsten nicht geäußert.

Oberbürgermeister Jakobs, der einräumt, dass die Stadtpolitik sich „um die Debatte um das Mercure gedrückt hat“, befürchtet nun, dass das Hotel ab 2013 leer stehen könnte. Dann laufe der Mietvertrag von Accor aus. Accor präferiere, dass der Eigentümer der Immobilie das Hotel unter der Marke Mercure als Franchise weiter betreibe, teilte das Unternehmen kürzlich auf Anfrage mit. Den Mietvertrag habe Accor nicht verlängert, weil die Anlagestrategie dies nicht vorsehe.

Immerhin, ein kleines Türchen gäbe es noch für Plattner, zur Mitte zurückzukehren: Mercure-Eigentümer Blackstone hat die Verkaufsentscheidung, die bereits am 15. Juli fallen sollte, in den August vertagt.

Sabine Schicketanz

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