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Landeshauptstadt: Feuerfalter und andere Raritäten

Kulturlandpläne sollen die Landwirtschaft zurück zur Natur bringen – ein Potsdamer Bio-Bauer nimmt an dem Modellprojekt teil

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Im Hof von Ulfried Zinnow zwitschern Vögel. Selbst als der Frühling noch nicht ganz da war, waren sie zu hören. Es sind nicht die einzigen Tiere, die den landwirtschaftlichen Betrieb des 68 Jahre alten Mannes als Heimat auserkoren haben, weil sie hier gut leben können: Ein Modellprojekt der Stadtverwaltung und des Landschaftspflegevereins Potsdamer Kulturlandschaft e.V. (PKL) hat dem Bio-Bauern jüngst bescheinigt, dass auf seinen bewirtschafteten Flächen eine erstaunliche Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten herrscht. „Über 380 verschiedene Pflanzen konnten auf den Ackern, Grünlandflächen und Saumstreifen festgestellt werden, darunter 30 vom Aussterben bedrohte wie die Sumpfplatterbse oder die Wasserfeder“, sagt Jan Bornholdt vom PKL. Auch viele seltene und geschützte Tiere wie Feuerfalter, Moorfrosch oder Zauneidechse fanden sich auf Zinnows rund 185 Hektar großen Flächen in Grube und Töplitz-Leest.

Ermittelt worden waren sie für den 50 Seiten starken „Kulturlandplan Wublitzrinne/Golmer Luch“, dessen Erstellung sich von Mai bis Dezember 2012 erstreckte. Kulturlandpläne sind noch ein relativ junges Behörden-Instrument zur Verbesserung des Naturschutzes, das erstmals 2010 vom Bundesumweltministerium als Pilotprojekt in Niedersachsen und Bayern eingesetzt worden war, erklärt Bornholdt: „Das wollten wir auch machen.“

Kulturlandpläne enthalten Analysen darüber, wie es um die Naturnähe von landwirtschaftlichen Betrieben bestellt ist sowie konkrete Empfehlungen, wie monokulturell geprägte Flächen geöffnet und artenreicher gemacht werden können. Dabei müssten für die Landwirte keine wirtschaftlichen Verluste entstehen, betont Bornholdt: „Nichts muss stillgelegt werden und alle Maßnahmen sind freiwillig.“ Solche Maßnahmen können zum Beispiel sein, Getreide im Frühjahr höher zu schneiden, um Vogelbrutgelege oder Junghasen am Boden zu schützen. Auch Brachflächen, die Entwicklung von „Blühstreifen“, die im Sommer nicht geschnitten werden, oder ein Wechsel der Fruchtarten auf dem Acker können Artenvielfalt fördern. Die Umsetzung eines Kulturlandplanes sei auch eine positive Werbung für Bauern, die diese bei der Vermarktung ihrer Produkte nutzen könnten, so Bornholdt.

Solche Vorschläge fielen bei Ulfried Zinnow aus Grube auf offene Ohren: Der gebürtige Potsdamer mit dem dichten weißen Bart betreibt seit 1994 einen Öko-Bauernhof mit derzeit 60 Rindern und 20 Reitpferden. „Die Landwirtschaft ist eigentlich einer der Hauptfaktoren für das Artensterben“, findet Zinnow, „wir haben ganz schön dazu beigetragen.“ Und Bornholdt fügt hinzu: „Inzwischen ist die Stadt artenreicher als das Land.“

Bei Zinnow sieht das anders aus: In Zusammenarbeit mit der Potsdamer Naturschutzbehörde ließ der PKL die Flächen des Bauern durch Biologen untersuchen. Auf den Ackerflächen fanden sich dabei gefährdete Pflanzen wie die Kornrade, eine inzwischen seltene Nelkenart. „Das hat uns alle erstaunt“, sagt Zinnow. An den Rändern von seinen Äckern finden sich zudem drei Meter breite Blühstreifen, die vielen Arten einen Lebensraum bieten, unter anderem Vögeln, die sich als Insektenvertilger nützlich machen und Kosten bei der Schädlingsbekämpfung sparen.

Und die Vielfalt hat auch einen Wert an sich: Zinnow etwa bedauert, dass die Feldlerche in Potsdam immer seltener geworden sei: „Ein Frühjahr ohne Feldlerche ist eigentlich kein richtiger Frühling. Man vermisst sie schon.“ Speziell für sie wird im Kulturlandplan ein „Lerchen-Fenster“ vorgeschlagen, also kleine Freiflächen mit Wildpflanzen, die Lebensräume für die Vögel bieten. Zinnow hat bereits ähnliche Maßnahmen auf seinen Flächen umgesetzt.

Natürlich hätten andere Betriebe einen Kulturlandplan nötiger als der von Ulfried Zinnow: Viele Vorschläge sind schon realisiert, einige weitere will Zinnow noch umsetzen. Aber das mit 8 000 Euro vom brandenburgischen Umweltministerium geförderte Modellprojekt soll schließlich als Vorbild dienen – in Brandenburg ist es das erste Projekt dieser Art.

Das Instrument Kulturlandplan wurde in das Klimaschutzkonzept der Stadt Potsdam aufgenommen. Demnächst will sich der PKL zusammen mit der Stadtverwaltung nach weiteren Potsdamer Landwirten umsehen, die bereit sind, sich einen Kulturlandplan erstellen zu lassen: „Wir wollen aufzeigen, wie einfach es ist, seine Flächen naturverträglicher zu machen“, sagt Bornholdt.

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