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Von Rainer Arlt: Feuerwerk nach Mitternacht

Am 17. November durchquert die Erde den Meteorstrom der Leoniden / 20 bis 40 Meteore pro Stunde

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Im Jahr der Astronomie berichten Potsdamer Astrophysiker regelmäßig in den PNN von ihren liebsten Himmelskörpern.

In der Nacht von 17. zum 18. November wird die Erde gegen 23 Uhr den dichtesten Teil des Kometenstaubs der Leoniden durchqueren. Nach Prognosen der Astrophysiker dürfte es diesmal dabei zu einer Häufung von Sternschnuppen kommen.

Immer weniger Städter kennen sie überhaupt noch, die Sternschnuppen, die jede Nacht in unregelmäßigen Abständen am nächtlichen Firmament aufleuchten. Unter sehr dunklem klaren Himmel kann man aber in der Tat fünf bis zehn solcher Meteore pro Stunde in einer beliebigen Nacht sehen. Bei ihrer Bewegung durch das Sonnensystem durchstreift die Erde jedoch zuweilen auch dichtere Wolken von Teilchen, die als „Kometenabfall“ noch auf gemeinsamen Bahnen durch den Raum ziehen. Dann beobachten wir auf der Erde einen Meteorstrom. Der bekannteste unter ihnen ist der Perseidenstrom im August.

Die Leoniden wurden nach einem Sternbild benannt. Wenn man die Sternschnuppen über den Himmel zurückverlängert, treffen sich alle Spuren im Sternbild des Löwen (lat. Leo). Im Unterschied zu den Perseiden sind die Leoniden nur in manchen Jahren aktiv und zeigen merkliche Sternschnuppenzahlen. Seit zehn Jahren ist man in der Lage, solche Begegnungen mit Meteorschwärmen vorherzusagen.

Die Staubteilchen, die die Leonidenmeteore verursachen, entstammen dem Kometen Tempel-Tuttle, der die Sonne in rund 33 Jahren einmal umläuft. Wegen seiner exzentrischen Bahn kommt er der Sonne dabei nur für kurze Zeit nahe. Im Computer kann man bei jeder sonnennahen Passage des Kometen während der vergangenen Jahrhunderte gedachte Teilchen freisetzen und ihre individuellen Bahnen bis zum heutigen Zeitpunkt verfolgen. Da man für 2009 in den Simulationen eine relativ hohe Anzahl von Teilchen in Erdnähe vorfindet, kann man davon ausgehen, dass in dieser Nacht auch in Wirklichkeit gehäuft Sternschnuppen auftreten.

Dass wir den Kometenstaub in diesem Jahr erst gegen 23 Uhr durchqueren, ist allerdings für Europa kein günstiger Zeitpunkt. Denn zu dieser Zeit steht der „Löwe“ noch sehr tief am Horizont. Die Sternschnuppen erscheinen zwar am ganzen Himmel, doch ist die Höhe des gemeinsamen Schnittpunkts entscheidend für die beobachtbare Anzahl. Es ist deswegen zu empfehlen, nach Mitternacht zu beobachten, da dann der sogenannte Radiant schnell an Höhe über dem Horizont gewinnt. An einem Standort mit sehr dunklem Himmel wird man vermutlich zwischen 20 und 40 Meteoren pro Stunde beobachten können.

Die Ergebnisse der Simulationen hängen davon ab, welche Bedingungen man bei der Freisetzung des Staubes am Kometen voraussetzt. Durch Abgleich mit den Beobachtungen der Sternschnuppenraten lassen sich deshalb zum Beispiel die Geschwindigkeiten eingrenzen, mit denen die Teilchen aus dem Kometen austreten. Nähert sich der Komet der Sonne, erwärmt er sich, und die leicht verdampfbaren Bestandteile – vor allem Wasser – werden gasförmig. Wenn diese plötzlich aus dem Kometen „abpfeifen“, reißen sie Staubteilchen des Kometen mit sich, die dabei in den Weltraum geschleudert werden. Die Geschwindigkeiten liegen dabei bei zehn Meter pro Sekunde oder mehr, sie sind jedoch verhältnismäßig klein im Vergleich zur Bahngeschwindigkeit des Kometen von 30 bis 40 Kilometern in der Sekunde. Die klitzekleinen Geschwindigkeitsunterschiede von weniger als einem Promille geben jedem Teilchen eine eigene Geschichte, jedes von ihnen wird in seiner Bahnentwicklung anders sein.

Die Bewegung der Teilchen wird nun von den Planeten gestört: wieder für jedes Korn individuell, da jedes Teilchen in etwas anderen Abständen an den Planeten vorbeikommt. Dadurch bilden die Bahnen des Meteorstroms nach wenigen Umläufen um die Sonne komplizierte Strukturen, und die Sternschnuppenhäufigkeiten sind in jedem Jahr etwas anders. Außer der Gravitation der Sonne und Planeten wirken noch weitere Kräfte auf die Staubteilchen, die sich aus der Sonneneinstrahlung ergeben.

Die Leoniden-Sternschnuppen überstehen den Flug durch die Erdatmosphäre nicht. Dennoch werden mehrfach pro Jahr sehr helle sogenannte Feuerkugeln beobachtet, die Bruchstücke von Asteroiden sind und damit so fest, dass ein kleiner Rest die zerstörerische Luftreibung überstehen kann und zu Boden fällt. Die Steine, die dann handwarm die Erdoberfläche erreichen, nennt man Meteoriten. Die Wissenschaft untersucht sie als kosmische Zeugen der Planetenentstehung.

In jüngster Zeit ist die Bestimmung der ursprünglichen Magnetisierung solcher Bruchstücke so präzise geworden, dass man das magnetische Feld in einem Urkörper des Sonnensystems bestimmen kann, der mehr als viereinhalb Milliarden Jahre unverändert durch das Sonnensystem zog. Solche einzigartigen Messungen werden nur möglich, wenn die Feuerkugeln durch Kamerasysteme beobachtet werden, um genaue Fundorte für die Meteoriten zu ermitteln. Die ursprüngliche Magnetisierung von Steinen, die schon längere Zeit auf der Erdoberfläche liegen, wird durch das Erdmagnetfeld allerdings unkenntlich gemacht.

Der Autor arbeitet am Astrophysikalisches Institut Potsdam (AIP) im Bereich der Magnetohydrodynamik.

Rainer Arlt

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