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Anita Neye muss helfen: Nelly (2.v.l.) und Gabriel (3.v.l.) balancieren.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Fitness für alle

In Drewitz und am Schlaatz turnen Kitakinder und Senioren gemeinsam – in der Kita

Stand:

Die Frauen, die vor der Kita Märchenland in Drewitz warten, sehen aus wie frisch vom Friseur. Und sind schon aufgeregt. Trotz Ostervorbereitungen haben sie sich Zeit genommen für ihren wöchentlichen Sportkurs mit den Kindern, die ihre eigenen Enkel oder gar Urenkel sein könnten – aber nicht sind. Zum dritten Mal wollen die Frauen, alle zwischen Anfang Sechzig und Mitte Siebzig, an diesem Mittwoch mit den Kindern turnen. Das Pilotprojekt, das bis zum Sommer läuft, hat der Verein Soziale Stadt organisiert, auch im Friedrich-Reinsch-Haus am Schlaatz gibt es so einen Kurs. Künftig sollen es mehr generationenübergreifende Angebote werden, sagt Kathleen Walter, Leiterin des Drewitzer Projektladens, wo die Frauen sonst turnen. Diese Erfahrungen sollen in das Konzept für die Stadtteilschule einfließen, Träger für die Schule, Projektladen und Reinsch-Haus ist jeweils der Verein Soziale Stadt. Die Stadt Potsdam hat den Sportkurs deshalb mit Mitteln aus dem aus dem Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ gefördert, so konnten die beiden Übungsleiter bezahlt werden.

Danilo Zimmermann ist an diesem Mittwoch ausnahmsweise allein, normalerweise hilft ihm eine Studentin. Doch der ausgebildete Sportassistent ist von der Natur mit genug Körpergröße und einer durchdringenden Stimmlage ausgerüstet. Und seine moderne Sportmethodik, viel Fantasie, Freiraum und gezielte Anleitung, scheint Kindern sowie Erwachsenen zuzusagen. Doch weil der Raum so klein ist, sollen hier nur sechs Kinder mit den Frauen turnen, sagt Kitaleiterin Nadine Mehl. Wenn dann noch eines krank oder verreist ist, sind die Gäste schnell in der Überzahl: Sieben Frauen sind heute gekommen, aber nur vier Kinder. „Das ist schade“, sagt Anita Neye, „ein Kind für jede müsste es schon sein.“ Sie kommen alle aus der Nachbarschaft, wohnen in Drewitz oder am Stern. Und ihre Enkel oder Urenkel sind manchmal weit weg. Frau Neye hat zwei Urenkel in Baden-Württemberg. Margitta Menzels Enkelkinder leben in der Nähe von Kyritz. Oft kann sie sie nicht sehen. „Manchmal fehlt mir dann was“, sagt sie. So kommen die Frauen, wobei es auch Männer sein könnten, gern zu den Kitakindern. Manche haben schon Lieblinge jetzt beim dritten Mal, aber das verraten sie ungern.

Genau das sei aber gewollt, sagt Kitaleiterin Mehl. Wenn immer dieselben Kinder kommen, entstehen persönliche Bindungen zwischen Alt und Jung.

Und ganz nebenbei tun alle etwas für ihre Fitness. Übungsleiter Danilo Zimmermann öffnet seine Wundertasche, holt allerlei Spielgerät heraus, animiert zu seltsamen Wanderungen, Kriech-, Hüpf- und Dehnübungen. Und er ist wohl der Einzige, der die Frauen unbeschadet als Elefantinnen bezeichnen darf, um sie zum Stampfen zu bewegen. Entwischt ein Kind aus der Reihe, ruft er zur Ordnung – oder der Großmutterinstinkt setzt bei den Frauen ein. Nach einer halben Stunde ist man vertraut, hilft sich, alte Hände halten Patschhände beim Balancieren, erklären rechts und links, und nebenbei lernen die Kinder die Grundfarben. Eine Gemeinschaft entsteht. Ein fremdes Kind schaut neugierig und fragend durch die Tür: „Wir machen Sport und der da ist der Chef“, sagt die fünfjährige Nelly ein bisschen naseweis. Dem sogenannten Chef gehen die Ideen nicht aus, immer neue Spiele fallen ihm ein, ein Springseil wird zur Schlange, zur Seerose, zum nassen Hund.

Am Ende haben alle rote Bäckchen. Auch die wilden Kinder, die schwierigen, die sonst womöglich weniger Aufmerksamkeit bekommen, wurden in dieser Stunde an die Hand genommen, gelobt, gefordert. Eins zu eins – besser geht es nicht. Im Sommer wollen sie rausgehen, in den Garten, in den Wald, darauf freuen sie sich schon. Nelly würde am liebsten gleich morgen wiederkommen. Sie hat zwar Oma und Opa in Potsdam und darf da oft übernachten, sagt sie, bevor sie aus dem Turnraum hopst. „Aber das hier ist auch schön“. Steffi Pyanoe

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