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Von Jana Haase: „Flache Aktenlage“ im KGB-Gefängnis

Leistikowstraße: Zusammenarbeit mit Potsdam Museum, ZZF und Buchenwald

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Nauener Vorstadt - Das Potsdam Museum und die Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße wollen beim Aufbau der Dauerausstellung im ehemaligen KGB-Gefängnis zusammenarbeiten. So soll die Gedenkstätte unter anderem Archivmaterial zur Geschichte des Standortes aus den Beständen des Potsdam Museums erhalten, erklärte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gestern bei einem Besuch in der Leistikowstraße. Über die Möglichkeiten der weiteren „systematischen Zusammenarbeit“ verständigte sich Jakobs bei einem Gespräch mit Gedenkstättenleiterin Ines Reich, Potsdams neuer Kulturbeigeordneter Iris Jana Magdowski (CDU) und Hannes Wittenberg vom Potsdam Museum.

Ein Eröffnungstermin für die Dauerausstellung unter Trägerschaft der 2008 gegründeten Treuhandstiftung ist indes nicht absehbar, sagte Gedenkstättenleiterin Ines Reich. Die Faktenlage zur Geschichte des Untersuchungsgefängnisses der sowjetischen Spionageabwehr sei noch „sehr flach“, betonte sie: „Wir sind jetzt im Prinzip beim Erbsenzählen.“

Drei Projektmitarbeiter unterstützen Reich bei der Vorbereitung der Dauerausstellung. Erforscht werden sollen sowohl Einzelschicksale von Häftlingen als auch „die großen Strukturen dahinter“, wie Reich erklärte. Mehr Geld dafür könnte demnächst von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) kommen: Gemeinsam mit dem Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) und der Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar erarbeite man momentan einen DFG-Antrag, sagte Günter Morsch, der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten.

Lediglich etwa 70 Häftlingsschicksale aus dem Potsdamer KGB-Gefängnis seien bisher bekannt, sagte Ines Reich. Schätzungen zufolge habe es in der Leistikowstraße aber allein von 1945 bis Anfang der 1950er Jahre zwischen 900 und 1200 Häftlinge gegeben. Völlig unklar sei die Faktenlage für die Zeit zwischen 1954 und der Schließung im Jahr 1984, als nur noch russische Bürger inhaftiert und verurteilt wurden. „Es gibt kein Gefängnisbuch zur Recherche“, sagt Reich. Daher sei man auf Hinweise von Zeitzeugen und deren Nachkommen angewiesen. Nur dann sei es möglich, in Moskau gezielt nach Archivalien zu fragen.

Insgesamt 36 Zellen richtete der sowjetische Geheimdienst 1945 in dem ehemaligen Verwaltungsgebäude der Evangelischen Frauenhilfe ein. Die Gründe für die Haft waren unterschiedlich, sagte Reich: So habe es Potsdamer Schüler gegeben, die nach verweigertem Russisch-Unterricht zum Tode verurteilt wurden. Aber auch SS-Sonderführer, die an Kriegsverbrechen in der Ukraine beteiligt waren, hätten zu den Häftlingen gehört. Reich warnt daher vor Verallgemeinerungen.

Unterschiedlich waren auch die Haftbedingungen: Die Gedenkstättenleiterin zeigte unter anderem eine Dunkelzelle und ein klassenraumgroßes Zimmer, in dem bis zu 25 Personen lebten. In einer nur knapp einen Meter schmalen Zelle ist der später verbotene Rauputz erhalten, der es den Häftlingen unmöglich machen sollte, sich mit Inschriften zu verewigen.

Umso mehr Kritzeleien gibt es im Keller: An der Decke und den Wänden haben sich jedoch nicht nur Gefangene verewigt, sondern auch Touristen, wie der Schriftzug „Werder Havel 2001“ zeigt. Vandalismus sei ein Grund dafür, dass das Haus jetzt nur mit Führung besichtigt werden kann, erklärte Ines Reich. Seit März 2009 ist das ehemalige Gefängnis und das von der Stiftung finanzierte neue Besucherzentrum an den Wochenenden, nach Voranmeldung auch am Mittwoch, geöffnet. Für Schülergruppen gibt es eine Gedenkstättenpädagogin.

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