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Landeshauptstadt: Flirten statt Small Talk

Im Al Globe wurde gestern über die Tücken der „Interkulturellen Kommunikation“ diskutiert

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Bis zu 70 Prozent aller missglückten Geschäftsabschlüsse auf internationaler Ebene sind auf eine Fehlkommunikation zurück zu führen. Das hätten wissenschaftliche Studien gezeigt, sagte die freie Dozentin für Interkulturelle Kommunikation Bettina Strewe am Montagabend bei einer Veranstaltung der Jungen Osteuropa Experten (JOE-fixe) im Al Globe. Thema des Abends war „Interkulturelle Kommunikation mit Schwerpunkt Osteuropa“ und der Saal war voll.

„Wenn ich die Gepflogenheiten einer anderen Kultur nicht kenne, missverstehe ich Verhaltensweisen leicht und trete in Fettnäpfchen“, erklärte die Wissenschaftlerin. Darum gehöre es zu den Schlüsselqualifikationen, Land und Leute des Geschäftspartners zu kennen.

Immer mehr Unternehmen beauftragen deshalb Fachleute, wie Elena Denisova-Schmidt von der Berliner Humboldt-Universität. Sie führt Studien über russische Arbeitnehmer durch. Die Ergebnisse sind wichtig für deutsche Unternehmen, die in Russland eine Zweigstelle eröffnen wollen. Bei ihren Befragungen habe sich unter anderem gezeigt, dass Loyalität gegenüber dem Arbeitnehmer nicht so einen hohen Stellenwert hat wie in Deutschland. „Ein russischer Angestellter wechselt seinen Arbeitsplatz schneller als ein deutscher, wenn ein besseres Angebot kommt.“ Auch die Trennung zwischen Beruflichem und Privatem sei nicht so streng. „Der Dienstwagen wird oft auch für private Wege genutzt und während man in deutschen Büros Small Talk macht, wird in Russland auch mal geflirtet“, so Denisova-Schmidt. Anders sei auch die Diskussionskultur. „Russen sind in der Regel emotionaler. Deshalb fällt es ihnen bei Meinungsverschiedenheiten oft schwer, auf der Sachebene zu bleiben.“

Osteuropäische Unternehmer bemängeln hingegen oft, dass ihre deutschen Geschäftspartner zu sachlich sind und die Beziehungsebene zu wenig pflegen, sagte Gundula Hiller, die an der Hochschule Viadrina in Frankfurt (Oder) forscht. Ihr Schwerpunkt ist dabei die deutsch-polnische Kommunikation. „Persönliches Vertrauen ist im polnischen Geschäftsleben sehr wichtig. Entscheidungen werden selten auf der reinen Sachebene getroffen“, so Hiller.

Noch emotionaler seien die Balkanvölker, sagte Bettina Strewe, die unter anderem an der Universität Skopje in Mazedonien Seminare zum Thema „Interkulturelle Kommunikation“ gehalten hat. Sie erinnerte sich daran, dass die Menschen im Kosovo eine Woche ernsthaft getrauert haben, als ihr Präsident starb, während das Leben in Deutschland nach dem Tod von Johannes Rau nicht still stand. Juliane Inozemtseva-Schoenherr

Juliane Inozemtseva-Schoenherr

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