Landeshauptstadt: Flucht aus den Mietskasernen
Gartenstadt-Ausstellung im Haus der Natur
Stand:
Gartenstadt-Ausstellung im Haus der Natur Eine Gartenstadt wurde in Potsdam nicht gebaut, dennoch ist diese sozialreformerische Bewegung mit der Stadt verbunden. Die 1902 in Friedrichshagen durch den dortigen Dichterkreis begründete Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft wurde lange Jahre durch Bernhard Kampffmeyer und seinen Cousin Hans geführt. Diese weit verzweigte Familie, die durch Mühlen und Landhandel reich geworden war, betrieb ihre deutschlandweiten Geschäfte bekanntlich von Potsdam aus, wo sie das große, heute verfallende Mühlengelände an der Leipziger Straße besaß. Noch bekannter wurde sie durch die 1923/24 errichtete Kampffmeyersche Villa an der Glienicker Lake, in jüngster Zeit einige Jahre Wohnsitz des Ehepaars Borer/Fielding. Auch diese stadtgeschichtlichen Zusammenhänge berührte Regine Auster in ihrem Vortrag zur Eröffnung einer Gartenstadt-Ausstellung im Haus der Natur. Die Geschäftsführerin des Fördervereins des Hauses gab einen Überblick über die Entwicklung dieser Bewegung. Deren Gründer folgten den Ideen des Engländers Ebenezer Howard, der die Arbeiter aus den lichtlosen Mietskasernen der Großstädte befreien und ihnen Wohnung im Grünen geben wollte. In den Siedlungen, die von einem Streifen landwirtschaftlich und gärtnerisch genutzter Fläche zur Selbstversorgung umgeben waren, galt der Anspruch eines sinnerfülltes Gemeinschaftslebens. Obwohl in Deutschland und auch um Wien insgesamt etwa 50 Gartenstädte entstanden, hundertprozentig verwirklichten die Gründer ihre Vorstellungen nirgendwo. Dennoch beeinflussen ihre Ideen Bauen und Wohnen sowie die Landesplanung bis heute. So entstanden Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre mit der so genannten Schwarzwaldhaussiedlung auch in Potsdam Wohnanlagen im Grünen, die von Arbeitslosen mit staatlicher Unterstützung selbst errichtet wurden. Interessanterweise übernahm Kronprinzessin Cecilie 1912 die Schirmherrschaft über die Gartenstadt-Gesellschaft, obwohl dort Freigeister und sozialdemokratisch eingestellte Intellektuelle dominierten. Sie nahm an Ausstellungen und Vorträgen teil und schrieb das Vorwort für zwei Publikationen, die in der Ausstellung gezeigt werden. Regine Auster interpretierte, damit habe das Kaiserhaus dem Einfluss der Sozialdemokratie entgegen wirken wollen. Auch Industrielle ließen für ihre Beschäftigten Siedlungen bauen, die Ideen der Gartenstadt aufgriffen. Die Ausstellung wurde vom Kulturhistorischen Verein Berlin-Friedrichshagen zur Verfügung gestellt und am Donnerstag durch den Vorsitzenden Ronald Vierock eröffnet. Sie ist bis Jahresende zu den Geschäftszeiten des Hauses der Natur (im Innenhof des Waisenhauses, Lindenstraße) und während der Abendveranstaltungen zu besichtigen. E. Hohenstein
E. Hohenstein
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: