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Sie ließen die Glienicker Brücke sprechen und ihre Geschichte von deutsch-deutscher Teilung selbst erzählen: Rieke von der See, Clara Engelhardt, Katja Clausner und Catarina Sträter (oben, v.l.). Die Waldorfschüler Theresia Ziegs, Bastian Wollowski, Johannes Brau und Tammo Walter (unten, v.l.) wälzten Akten und Ordner, um auf sechs großen Bannern die ostdeutsche Umweltbewegung darzustellen. Derzeit ist das Projekt in der Staatskanzlei zu sehen, ab Dezember in der Berliner Waldorfschule Rudolf Steiner.

© A. Klaer (3), Archiv (1)

Von Martin Gätke: Fluchtwagen und Umweltplagen

Potsdamer Schülergruppen  entdeckten auf ihre Art DDR-Geschichte – und gewannen Preise

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Die Brücke spricht. In lockerem Plauderton beginnt sie plötzlich, aus ihrem Leben zu berichten – über ihre Geburt im 17. Jahrhundert, ihre Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, ihre gespaltene Persönlichkeit während deutsch-deutscher Teilung. Und über die bewegenden Stunden der Wiedervereinigung.

Catarina Sträter ist eine, die der Glienicker Brücke eine Stimme gegeben hat – in einem Film. Zusammen mit neun anderen Schülern des Evangelischen Gymnasiums Hermannswerder hat die 19-Jährige die Geschichte der Brücke studiert und das Bauwerk fotografiert. Das Ergebnis ihrer wochenlangen Arbeit: Eine Mischung aus Bildern, historischen Berichten und eben einem fiktiven Brücken-Monolog. So schufen die Schüler eine Reportage, die auf unterhaltsame Weise über die Geschichte der Glienicker Brücke und ihre Bedeutung während des Kalten Krieges berichtet. So unterhaltsam, dass sie den dritten Preis beim Schülergeschichtswettbewerb der Deutschen Gesellschaft e.V. in der Kategorie „Die DDR und ihre Geschichte bis 1989“ gewannen.

Auch der zweite Platz dieser Kategorie des Geschichtswettbewerbs ging nach Potsdam: „Umweltbewegung in der DDR“ heißt das Projekt und wird noch bis Dezember in der brandenburgischen Staatskanzlei ausgestellt. Dabei interessierten sich dreizehn Schüler der Waldorfschule im Alter von 17 bis 19 Jahren für die Dokumente der ehemaligen Potsdamer Bezirksverwaltung für Staatssicherheit. Zwischen viereinhalb Kilometer staubigen Akten fanden die Schüler Interessantes: Über Menschen, die sich in der ehemaligen DDR für Umweltschutz engagierten und für dieses Engagement von der Staatssicherheit zunächst beobachtet und anschließend unterdrückt wurden. So fanden sie heraus, wie die Umweltaktivistin Carola Stabe fast einem Autounfall zum Opfer fiel, als sie von der Staatssicherheit verfolgt wurde. „Die Stasi-Agenten sind so dicht auf ihr Auto aufgefahren, dass sie fast die Kontrolle über den Wagen verlor“, sagt Theresia Ziegs. „Dabei wollte sie nur eine Besserung der katastrophalen Umweltsituation in der DDR.“ Und die wäre wirklich erschreckend gewesen, sagt die 17-Jährige: „Das Grundwasser war verseucht und die Luft war voller Smog.“ Um Themen wie Müllentsorgung und Industriebelastung näher zu beleuchten, führten die Schüler zahlreiche Interviews, so auch mit dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck, zu DDR-Zeiten Mitarbeiter beim Potsdamer Kreishygieneinstitut. Außerdem arbeiteten die Schüler mit der Umweltorganisation „Argus“ zusammen – deren Mitglieder wegen ihres Engagements in der DDR selbst Opfer der Stasi-Schikane wurden. „An keinem von uns ging das Thema spurlos vorbei“, erklärt Bastian Wollowski. „Umweltschutz ist für uns jetzt ein Thema.“ Für den 18-Jährigen selbst wurde es so wichtig, dass er mittlerweile Greenpeace-Mitglied ist.

Auch die Gymnasiasten um Catarina Sträter haben wichtige Erfahrungen gemacht und lernten ganz nebenbei, wie die Recherchearbeit in Bibliotheken und Zeitungsarchiven funktioniert. „Dabei war den so berühmten Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke gar nicht so interessant“, sagt die 18-jährige Clara Engelhardt. „Bei meiner Recherche fand ich heraus, dass ein mit etlichen Gasflaschen beladener Lkw die Grenze durchbrach und über die Brücke flüchtete – das ist spannend!“

Martin Gätke

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