
© Andreas Klaer
Campus in Golm: Schwerpunkt Inklusion: Forschen in der „Rostlaube“
Wie Kinder mit verschiedenen Begabungen lernen, will die Uni Potsdam in einem neuen Haus ergründen.
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Golm - Dass die Aufgabe der Inklusion mitunter nicht ganz widerspruchsfreie Ergebnisse hervorbringt, ist schon an den Türklinken zu sehen: Die sind im neuen Gebäude für den Lehr- und Forschungsschwerpunkt Inklusion und Heterogenität auf dem Campus Golm nämlich in einer Höhe von 85 Zentimetern angebracht – gut erreichbar für Rollstuhlfahrer. Um sie im Stehen zu öffnen, muss man sich herunterbeugen. Für Sehbehinderte werden die tiefergelegten Klinken allerdings zum Hindernis – sie haben Schwierigkeiten, sie zu finden.
Abgesehen davon ist man an der Universität mit dem neuen Haus 14 rundum zufrieden. Am Montag wurde der Bau für 5,1 Millionen Euro auf dem Campus in Golm eröffnet. Das behindertengerechte Haus bietet neben Seminarräumen auch Platz für ein Labor. Lehramtsstudenten und Professoren werden dort am Forschungsschwerpunkt Inklusion und Heterogenität forschen.
Von außen fällt das neue Gebäude sofort auf: Seine Fassade ist mit „voroxidierten Stahlplatten“ verkleidet, wie Architekt Haie-Jann Krause erklärte. Die rostig schimmernde Hülle werde auch künftig ihre Optik verändern, je nachdem, wie ihr Regen, Sonne und Luft zusetzen. Es soll ein Sinnbild sein für eine Schule für alle, in der jedes Kind nach seinen Bedürfnissen und Begabungen gefördert werden soll. Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (SPD) verpasste dem Bau deshalb scherzhaft den Titel „Rostlaube“.
Der Eingang des rotbraunen Gebäudes ist großzügig gestaltet. „Inklusion bedeutet auch, dass der Eingang einfach zu finden ist“, so Krause. Im gesamten Gebäude gibt es keine Türschwellen, die Türen sind breit genug für Rollstühle, Hinweisschilder sind zusätzlich in Brailleschrift ausgeführt. Die Wände sind weiß, die Türen schwarz und die Böden rot. Die starken Kontraste sollen sehschwachen Menschen die Orientierung erleichtern. All diese Elemente sollen den kommenden Lehrern zeigen, worauf bei der Inklusion in den Schulen geachtet werden sollte, hieß es.
Die wahre Stärke des neuen Gebäudes soll im Inneren liegen. Für die Studierenden gibt es dort zwei große Seminarräume, die mit akustischer Technik für Menschen mit Hörbehinderung ausgestattet sind. Neben Büroräumen für die Lehrkräfte gibt es im Erdgeschoss ein großes Labor. Dort können Untersuchungen mit einer EEG und einer Kraftmessplatte durchgeführt werden. Mit einem 3D-Bewegungsanalysesystem können die Forscher die motorischen Fähigkeiten von Kindern erfassen. Ein sogenannter Eye-Tracker verfolgt die Augen beim Lesen. So sollen Erkenntnisse gewonnen werden, wie sich Schüler einen Text erschließen.
Die Apparate sollen dabei helfen, herauszufinden, warum manche Kinder schneller lernen und andere langsamer. Es soll erforscht werden, welche Lehrmethoden erfolgversprechender sind als andere – und weshalb. Daraus versprechen sich die Forscher Erkenntnisse, wie die schulische Struktur verändert werden muss, damit auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten aller Schulkinder eingegangen werden kann.
In dem neuen Gebäude werden neben sechs Professoren auch die Mitglieder der interdisziplinären Forschungsgruppe Heterogenität und Inklusion arbeiten. Zu ihr gehören Nachwuchswissenschaftler der Kognitions-, Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwissenschaften. Sie erheben Daten in Schule und Labor, wie Leiterin Julia Festmann am Montag erklärte. Dabei untersucht sie den Schriftspracherwerb von Kindern mit heterogenen Voraussetzungen und untersucht, inwieweit motorische Fähigkeiten und kognitive Voraussetzungen eine Rolle spielen.
Die Universität Potsdam besitzt bei der Forschung und Lehre zur Inklusionspädagogik eine Vorreiterrolle. Als eine der ersten Hochschulen bietet sie seit 2013 einen Studiengang für das Lehramt Grundschule mit Schwerpunkt Inklusionspädagogik an. Auch in allen anderen Lehramtsstudiengängen sind inklusionspädagogische Studienanteile integriert. Dadurch sollen die künftigen Lehrer lernen, wie sie Förderbedarf erkennen können. Die Nachfrage nach derart ausgebildeten Lehrkräften und Forschern sei bundesweit hoch, so Ministerin Kunst. Brandenburg stehe im Wettbewerb. Durch das neue Gebäude sollen sich auch die Wettbewerbsbedingungen dabei verbessern.
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