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Landeshauptstadt: Forscher am längeren Hebel

An der Evangelischen Grundschule wird nach neuen, praxisnahen Unterrichtsformen gesucht – mit Erfolg

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Klaus Kinkel steigt auf – ungefähr 30 Zentimeter über dem Asphalt und lacht. „Wisst Ihr eigentlich, wie viel Ihr da hochhebt?“, fragt der ehemalige Minister die fünf Schüler, die lässig ihre Hände auf einen Balken drücken. Dass sie am längeren Hebel sind, wissen die Fünf längst aus anderen Experimenten und erfahren nun, dass es 95 Kilo sind, die sie da mit ihrem Hebelmodell nach oben gezogen haben, plus der 37 Kilo des Steines, auf dem Klaus Kinkel steht. Der ist stark beeindruckt von der Apparatur, die die jungen Prima(r)forscher der Evangelischen Grundschule Kleinmachnow nach Anleitung ihres Lehrers aus Holzbalken gezimmert haben. Zusammen mit Eva Luise Köhler, der Schirmherrin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und Gattin des Bundespräsidenten, war Klaus Kinkel als Vorsitzender der Deutschen Telekom Stiftung gestern zu Besuch in der Bildungseinrichtung am Schwarzen Weg.

Die Ganztagsschule, in der zurzeit etwa 200 Kinder lernen, gehört zu deutschlandweit zwölf Modellschulen, die im Rahmen einer Kooperation beider Stiftungen seit Sommer 2007 als „prima(r)forscher“ gefördert werden. Ziel der Initiative ist es, neue Praxismodelle für naturwissenschaftliche Bildung zu entwickeln und zu erproben. Nicht nur früh sollte damit begonnen werden, sondern auch kindgerecht. „Denn die kindliche Neugier soll erhalten bleiben“, sagte Eva Luise Köhler, die früher einmal selbst Lehrerin war. „Die Herausforderung besteht darin“, so Köhler, „Unterrichtsformen zu suchen, bei denen keine abstrakten Modelle vermittelt werden, sondern die Kinder ihren eigenen Fragen nachgehen und selbst Lösungswege ausprobieren“. Überzeugen konnten sich die Gäste davon, dass auch bei den Prima(r)forschern die Fragen immer am Anfang jedes forschenden Lernens stehen. So beschäftigt einen Schüler die Frage, ob das Gehirn beim Denken Geräusche macht.

Einige Schüler, wie die zehnjährige Lena, können aber auch schon einen Teil ihrer Fragen selbst beantworten. Sie wollte wissen, wie ihr Körper aus dem Gleichgewicht gebracht werden kann und fand die Antwort in einem Tanzprojekt. Es hat was mit der Symmetrie des eigenen Körpers zu tun, erkannte sie: „Wenn man unsymmetrische Bewegungen macht, kann es passieren, dass man aus dem Gleichgewicht fällt“. Beim Forschungsprojekt „Mein Körper“, erklärten Schüler den Besuchern anhand eines selbst gebauten Skeletts den Körperbau. Zuvor hatten sie selbst ihre Knochen gezählt und ihre Körperteile vermessen. Aus Schaumstoffecken und Streichholzschachteln hatten sie anschließend eine biegsame Wirbelsäule gebastelt und sogar die Finger einer Hand konnten mittels Fäden bewegt werden. Tennisbälle dienten als Kugelgelenk und als beim Vorführen ein Arm aus der Schulter rutschte, stupste den ein Schüler mit dem Kommentar wieder zurück: „Damit sollte man im richtigen Leben aber besser ins Krankenhaus gehen“. Auch das Bäketal vor der Schultür weckt den Forschergeist. Dort hatten Schüler nicht nur den Fuchs beobachten können, sondern sogar einige Exemplare der europäischen Sumpfschildkröte. Für Aufsehen sorgte aber vor allem der Schädel eines Wildschweines, der nun in der Vitrine präsentiert wird. Der Schwarzkittel sei „nicht mehr der Jüngste gewesen“, berichtete Nicolas und zog zum Beweis einen Eckhauer aus dem Kiefer. Auch die Größe des Schädels spreche dafür und noch eine Erkenntnis verdanken sie dem Fund: Die Nase dient Wildschweinen nicht zum Riechen, sondern zum Wühlen. Erst im oberen Bereich des Rüssels befinden sich zwei Nasenöffnungen, fanden die Schüler heraus.

Klar war nach diesem Rundgang, dass bald auch andere Schulen von dieser anregenden Lernkultur profitieren sollten. Entschieden wird aber erst im Dezember, ob das Projekt für das Schuljahr 2009/10 auf weitere Schulen ausgeweitet werden kann. Neben der Schule in Kleinmachnow gehören die Grundschule Brück, die Jenaplan Grundschule Lübbenau und die Havelland Grundschule Zehdenick zu dem Pilotprojekt.

Kirsten Graulich

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