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Lauschig gelegen sind die Forschungsgebäude auf dem Telegrafenberg. Hier versteckt sich das GeoForschungsZentrum hinter den Bäumen im Wald. Genau an dieser Stelle will die Einrichtung drei Neubauten errichten, um den Platzbedarf zu decken.

©  Andreas Klaer

Von Peer Straube: Forschungsinstitute haben Platznot

„Unhaltbare“ Bedingungen auf dem Telegrafenberg / PIK, GFZ und AWI wollen dringend neu bauen

Von Peer Straube

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Die renommierten Wissenschaftseinrichtungen auf dem Telegrafenberg schlagen Alarm wegen akuter Platznot. „Die Situation ist untragbar und eine Gefährdung für die Entwicklung unserer Einrichtung“, sagte Martin Pestke vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) gestern den PNN. Die Situation ist prekär: 500 Mitarbeiter - fast die Hälfte - seien unzureichend untergebracht, 250 davon habe keinen eigenen Büroarbeitsplatz. „Die sitzen den anderen praktisch auf dem Schoß.“ Nicht besser sieht es beim Potsdam-Institut für Folgenforschung (PIK) aus, einer der weltweit führenden Einrichtungen auf dem Gebiet des Klimawandels. Als „extrem“ beschreibt Jörg Pietsch, Leiter im Vorstandsbereich, die Lage. Seit einem halben Jahr sei man dabei, 80 Mitarbeiter provisorisch in einem Plattenbau an der Pappelallee unterzubringen. Das Land habe das Objekt für zwei bis drei Jahre zur Verfügung gestellt, sagte Pietsch. „Auf dem Berg platzen wir aus allen Nähten.“

Die bauliche Entwicklung auf dem Telegrafenberg hinkt der rasanten Entwicklung der Forschungseinrichtungen schon seit Jahren hinterher. Allein das PIK hat laut Pietsch im vergangenen Jahr mehr als 60 neue Mitarbeiter eingestellt. „Ich glaube nicht, dass in irgendeiner anderen Branche in Potsdam derzeit so viele neue Arbeitsplätze entstehen wie in der Nachhaltigkeitsforschung“, sagte Pietsch. Das GFZ beschäftigt inzwischen 960 Wissenschaftler, angefangen hatte man mit 280. Mit Projekten wie dem Tsunami-Frühwarnsystem, der Erdbeben- und Vulkanforschung sowie nicht zuletzt dem Problemfeld Energiegewinnung hat sich das GFZ in die Champions League vergleichbarer Einrichtungen katapultiert. Sowohl GFZ, PIK und das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) haben dringenden Neubaubedarf signalisiert.

Doch dafür gibt es allerlei Hürden. So stehen große Teile des historischen Ensembles unter Denkmalschutz, eine Bebauung in den benachbarten Wäldern wird durch naturschutzrechtliche Belange erschwert. Den mit Abstand größten Bedarf hat das GFZ. Fast 6000 Quadratmeter werden benötigt, „möglichst dicht an den Hauptgebäuden“, sagt Pestke. Zwei Standorte stehen im Raum: Einmal das Waldstück nördlich des Wissenschaftsparks. Damit würde man in unmittelbarer Nachbarschaft zu den GFZ-Neubauten aus den 90er Jahren bauen. Allerdings liegt die Fläche in einem geschützten Biotop. Als Alternative kämen die Gebäude des Umweltministeriums in der Albert-Einstein-Straße in Betracht, nur einen Steinwurf vom GFZ entfernt. Das Ministerium soll in die Henning-von-Tresckow-Straße verlagert werden. Wann, ist jedoch offen. „Vorstellbar“ nannte Pestke auch den Standort des Landtags auf dem Brauhausberg. Freilich erst, nachdem das neue Parlament fertig ist. Die Speicherstadt oder das alte Brauerei-Gelände kämen nicht infrage. „Die sind zu weit weg“, so Pestke.

Als ersten Schritt will das GFZ drei neue Gebäude im Wissenschaftspark selbst errichten, südlich des Helmert-Hauses. Für die Projekte hofft Pestke auf Mittel aus dem Konjunkturpaket II. Das Geld sei beim Bund beantragt, man warte noch auf einen Bescheid. Sollte es grünes Licht geben, drängt die Zeit umso mehr. Bis 31. Dezember 2011 müssen die letzten Rechnungen bezahlt sein, also die Gebäude stehen. Generell hoffe man auf schnelles Baurecht.

Das gilt auch für das PIK. „Ein großes oder zwei kleinere Gebäude“ wollen die Klimaforscher westlich von ihrem Hauptgebäude im Michelson-Haus bauen – in unmittelbarer Nähe zum Einsteinturm. „Nichts langweiliges, sondern ambitioniert und zukunftsweisend“, betont Pietsch. Ein paar alte Baracken sollen dafür weichen. Konjunkturpaket-II-Gelder werde man nicht bekommen, habe aber Mittel in den Haushalt für 2010 eingestellt. 2012 hofft man auf Fertigstellung.

Die Schuld an der Situation wollen die Institute niemandem konkret in die Schuhe schieben, dennoch schimmert leise Kritik am Land durch. Die Raumbedarfsplanung, die dem erwarteten Mitarbeiterzuwachs Rechnung trägt, sei dort „eher konservativ“ genehmigt worden, heißt es. Die Stadt will nun noch vor der Sommerpause Aufstellungsbeschlüsse für B-Pläne fassen, um Baurecht zu schaffen. Ursprüngliche Überlegungen, das Areal der Post und der Telekom an der Michendorfer Chaussee in die Neubaupläne einzubeziehen, sind inzwischen vom Tisch. Dort gebe es zu wenig Platz, sagte Stadtplanungschef Andreas Goetzmann am Dienstagabend im Bauausschuss. Zudem wolle man die sehr abgeriegelten Forscher „ein Stück weit mehr im Stadtbild sichtbar machen“. Konflikte sind indes vorprogrammiert. Gegen die Pläne der Stadt, die Speicherstadt als Wissenschaftsstandort einzubeziehen, gibt es Vorbehalte in der Landes-CDU. Auch die Institute wollen nur in unmittelbarer Nähe zum Telegrafenberg expandieren.

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