Mehr Daten für bessere Navis: Forschungsprojekt der FH Potsdam macht unsichtbare Informationen in Städten sichtbar
Potsdam - Die Fotomontagen sehen futuristisch aus – und liegen doch gar nicht so weit in der Zukunft. Auf dem einen Bild leuchtet eine Drohne einer jungen Frau den Weg durch den Görlitzer Park in Berlin, auf dem nächsten ist eine Demonstration zu sehen, die durch zahlreiche unbemannte Flugkörper überwacht wird.
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Potsdam - Die Fotomontagen sehen futuristisch aus – und liegen doch gar nicht so weit in der Zukunft. Auf dem einen Bild leuchtet eine Drohne einer jungen Frau den Weg durch den Görlitzer Park in Berlin, auf dem nächsten ist eine Demonstration zu sehen, die durch zahlreiche unbemannte Flugkörper überwacht wird. Die Illustrationen sind Teil einer neuen Arbeitsgruppe an der Fachhochschule Potsdam, die unter anderem frei verfügbare Daten und Informationen aus städtischen Räumen quasi sichtbar machen will. Am Montag nahm das Forschungslabor „Urban Complexity Lab“ seine Arbeit auf. Unter anderem geht es dabei auch um die Akzeptanz der fliegenden Kameras in der Bevölkerung.
Das Projekt wurde gemeinsam mit einem Kartenhersteller ins Leben gerufen und soll unter anderem virtuelle Stadtpläne mit umfassenden Datensammlungen entwickeln. Die digitalen Karten sollen dann mit allen frei verfügbaren Informationen zu Stadtvierteln und anderen Gebieten verknüpft werden.
„Dazu gehören etwa die Verkehrsströme, die Daten der Luftverschmutzung, aber auch Informationen zu den sozialen und kulturellen Beziehungen der Bewohner in einem Kiez“, sagte der Mitgründer des Labors, Professor Marian Dörk. Man könne dann auch erkennen, „wie hoch der Energieverbrauch oder das Müllaufkommen in einem Viertel ist, wenn man entsprechende Initiativen für Nachhaltigkeit starten will“, sagte er. Auch die Strukturen der Wirtschaft würden sichtbar. „Etwa wie viele Lebensmittelgeschäfte oder andere Branchen sind dort vertreten und wie ist das Preisniveau?“
Dörk zufolge ist die Bündelung von wissenschaftlichen und gestalterischen Herangehensweisen einmalig in der deutschen Hochschullandschaft. Daraus könnten auch konkrete Produkte entstehen, wie etwa die mit Daten verknüpften Straßenkarten für die Navigationsgeräte. Aber auch die Forschung verspricht sich davon neue Erkenntnisse. Die Karten sollen auch von den Bewohnern selbst gefüttert werden. „Viele Bürger sammeln schon selbst Informationen zu ihrem Kiez und können diese zu den visualisierten Karten hinzufügen“, erläuterte Dörk.
„Es geht darum, mithilfe der Karten bewusste Entscheidungen treffen zu können“, betonte Boris Müller, der mit Dörk das Forschungsprojekt leitet. In Potsdam oder Berlin sei das Fahrrad beispielsweise zu bestimmten Tageszeiten schneller als das Auto. Ein anderer Aspekt: Kriminalitätsdaten könnten mit einer digitalen Straßenkarte verknüpft werden. Das gebe es teilweise schon in den USA – und erinnere an diverse Science-Fiction-Filme wie „Minority Report“.
Im Teilprojekt „Unter Drohnen“ stelle sich Müller zufolge hingegen die Frage, welches Verhältnis die Menschen in Berlin und Brandenburg zu den umstrittenen Flugobjekten hätten. Zumeist würden Drohnen mit Kriegen, mit dem Irak oder Syrien in Verbindung gebracht. Dabei könne es auch hilfreiche Anwendungen geben, etwa durch die Warnung vor einem Unfall auf der Autobahn. Und dies werde schneller umgesetzt, als mancher jetzt denke. „Vieles davon wird kommen“, ist auch Julian Braun überzeugt. Er koordiniert das Drohnen-Projekt. Drohnen könnten beispielsweise für Werbebotschaften und auch für Graffiti eingesetzt werden.
Ab Ende Februar startet Braun zufolge eine Plakataktion in Potsdam und Berlin, die zur Teilnahme an einer Umfrage auffordert. Ziel sei es, herauszufinden, wie sich die Betrachter der eindrucksvollen Bilder dabei fühlen und welche Emotionen sie auslösen. Es gehe bei der Forschung aber nicht um Überwachung, betont Müller sicherheitshalber und fügt hinzu: „Wir machen das nicht für die NSA.“
Das zeigen auch drei weitere Teilprojekte, die sich mit weitaus weniger umstrittenen Themen beschäftigen. Zumindest eines davon hat durchaus das Potenzial, einmal als fertiges Produkt aufzutauchen. Bei dem Projekt „Personal Patch“ geht es um eine virtuelle Stadtkarte, auf der Wege per Hand eingezeichnet werden können, quasi für die Schwester auf Besuch, die am Morgen den Weg zum Bäcker erklärt bekommt – und am Abend die Abkürzung zur Stammkneipe benötigt, versehen mit Hinweisen über das Zuhause eines bissigen Hundes, wie es Müller formuliert.
Und zudem verknüpfen die Forscher auch Literatur und Musik mit Orten auf der Landkarte. Zumindest bei der Musik ist dies im realen Leben anwendbar. Im vergangenen Jahr hätten rund 15 Interessierte an einer musikalischen Schnitzeljagd durch Berlin teilgenommen, sagte die wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Urban Complexity Lab“, Stephanie Neumann. Dabei ist die Musik eines bestimmten Künstlers jeweils an dem Ort zu hören, der ihn zu dem Lied inspiriert hat.FH POTSDAM] (mit dpa)
Stefan Engelbrecht
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