
© A. Klaer
Landeshauptstadt: Fragen zu einer fremden Welt
Katja Havemann und Jan Sicha als Zeitzeugen im Helmholtz-Gymnasium
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Eine Stecknadel hätte man fallen hören können. Katja Havemann, Ehefrau des neben Wolf Biermann wohl bekanntesten DDR-Oppositionellen Robert Havemann, erzählte gestern im Helmholtz-Gymnasium mit leiser Stimme aus ihrem Leben.
„Fragen Sie zwischendurch ganz ungehemmt“, so die Aufforderung Havemanns an die Schüler der elften Klasse. Sie wollten viel wissen. Zum Beispiel, wie ein Kommunist und Antifaschist wie ihr Mann, ein zur Elite der DDR gehörender Wissenschaftler, zum Oppositionellen werden konnte. Die Verbrechen des Stalinismus, die nach dem Tode des Diktators auf dem 22. Parteitag der KPdSU offengelegt wurden, hätten den Ausschlag gegeben, sagt Havemann. Schon bald nach der Gründung der DDR gewann Robert Havemann die Erkenntnis, dass anstelle von Freiheit und Demokratie eine diktatorische Partei-Clique herrschte. Das SED-Mitglied, der Volkskammerabgeordnete und Universitätsprofessor fiel von „ganz oben nach ganz unten“, als er dagegen in seinen Vorlesungen Stellung bezog.
Robert Havemann war Jahrgang 1910 und starb1982; seine spätere Frau Katja wurde 1947 geboren. Es interessierte die Schülerinnen bei diesem Altersunterschied, wie die beiden zueinander fanden. „Ich war ein typisches DDR-Kind vom Dorf, machte das Abitur mit Berufsausbildung und begann ein Studium der Politischen Ökonomie“, erzählt Katja. Sie arbeitete in einem Berliner Kinderheim, kam mit der DDR-Staatsmacht in Konflikt und lernte durch eine Kollegin Robert Havemann kennen, der seine „Fühler nach mir ausstreckte“. Anfangs sei sie erschrocken gewesen. Es entstand schließlich aber eine Liebesbeziehung. Nach der Geburt einer Tochter wollten sie zunächst nicht heiraten taten das aber 1974 „aus Vernunftgründen“, um das gemeinsame Kind zu schützen. Für ihren Mann war es die dritte Ehe. Hochzeitsfotos machten sie nicht. Nach der Wende, fand sie jedoch Schwarz-Weiß-Fotos des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit in den Akten.
„Wir hatten viele Havemanns, insofern war die Situation in der Tschechoslowakei anders als in der DDR “, berichtet Jan Sicha aus Prag. Der 42-jährige Historiker und Mitarbeiter des tschechischen Außenministeriums informierte die Schüler über die Schauprozesse in den Jahren 1952 bis 1954, nach denen elf hochrangige Kommunisten aufgehängt wurden. Und er sprach über den Prager Frühling 1968 und dessen gewaltsames Ende.
Die anderthalb Stunden in der Aula des Helmholtz-Gymnasiums reichten nicht, um das ganze Bild solcher Welten zu zeichnen, die für viele Schüler fremd schienen. Havemann: „Das war ein Leben ohne Telefon, ohne Meinungs- und Gedankenfreiheit – eine Welt mit vorenthaltenen Büchern.“ Günter Schenke
Günter Schenke
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