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Landeshauptstadt: Franco Stellas Landtagspalast

Italienische Entwürfe sahen 1991 Flächenabrisse und Neubauten am Alten Markt vor

Stand:

Architekten und Künstler der deutschen Romantik und ihre Werke sind ohne italienische Inspiration nicht denkbar. In einer Stadt wie Potsdam sind die italienischen Einflüsse durch Architekten wie Ludwig Persius oder Georg Christian Unger und durch die sie beauftragenden preußischen Könige gleichsam zu Stein geworden. Der Liebreiz der Potsdamer Landschaft forderte diesen Einfluss heraus. In neuerer Zeit macht sogar eine Pizza-Vertriebskette mit einem Fernsehspot, in dem die Glienicker Brücke vorkommt, Werbung. Der Eindruck dessen, was die Deutschen mit dem Bild Italiens verbinden, ist frappierend.

Aus dieser Tradition heraus war es geradezu folgerichtig, dass sich die Potsdamer Stadtplaner nach der Wende ideelle Unterstützung aus Italien erhofften. Im März 1991 reisten daher der damalige Baustadtrat Detlef Kaminski und Stadtarchitekt Rainer Globisch nach Venedig. Dort trafen sie sich mit Baustadtrat Giovanni Caprioglio und ansässigen Architekten und klopften die Zusammenarbeit fest. Vor allem die Fachvertreter der Universität wollten Potsdam mit ihren Ideen unter die Arme greifen. Ergebnis war ein Workshop im Mai 1991 in Potsdam, auf dem die Italiener ihre städtebaulichen und architektonischen Ideen vorstellten.

Die radikalsten Vorschläge unterbreitete eine Projektgruppe um den Architekturprofessor Franco Stella. Er stellte einen Plan zur Diskussion, auf dem er alles rund um die Nikolaikirche, was er abreißen wollte, schraffiert hatte. Fachhochschule und Bibliotheksgebäude waren ebenso darunter wie sämtliche Wohngebäude östlich der Nikolaikirche. Nur die drei Wohnblocks zwischen Alter Fahrt und Burgstraße wären stehen geblieben.

Westlich der Nikolaikirche wäre ein riesiger Bauplatz entstanden, auf dem sich die Architekten hätten austoben können. Bei Franco Stella sah das „Austoben“ so aus: „Durch den Abriss der imponierenden Schinkelkirche bedrängenden Siebziger-Jahre-Bebauung und durch die Errichtung eines neuen Gebäudes für die Landesregierung entsteht eine Piazza mit zwei frei stehenden Monumenten – der Nikolaikirche und dem Landtagspalast.“

Mit dieser Konstruktion wollte der Architekt an die „offene Piazza“ antiker Städte anknüpfen, die politischen und religiösen Gebäude der Stadt besonders hervorheben. Ein wenig erinnert die Idee an das DDR-Aufbaulied mit der Zeile: „Fort mit den Trümmern und was Neues hingebaut.“ Kein Gedanke an den Wiederaufbau des Stadtschlosses beziehungsweise an die Wiederannäherung an die historischen Grundrisse. Das war offenbar ein Trend der damaligen Zeit. Selbst Stadtkonservator Andreas Kalesse äußerte 1991: „Die teilweise geforderten umfangreichen Wiederaufbauprogramme für das Stadtschloss, die Garnison- und die Heiliggeistkirche und schließlich den gesamten Altstadtbereich sind abwegig.“

Also „was Neues hingebaut“. Wie sollte das aussehen?

Der Stella“sche „Landtagspalast“ neben der Nikolaikirche war als 120 Meter langes und 27 Meter breites langgestrecktes Gebäude mit gerundeten Kopfseiten konzipiert. Mit einer Höhe von 24 an der Traufe und 33 Metern am First überragte er den 27 Meter hohen Kubus der Nikolaikirche, blieb jedoch unterhalb ihres Kuppelansatzes. Eine imponierende Idee. Ungeniert stellt sich der neue Palast in die Achse des „verlorenen Stadtschlosses orthogonal zur Breiten Straße und bildet einen schrägen perspektivischen Hintergrund für die Nikolaikirche.“ Die architektonische Ausgestaltung des monumentalen Palastes sollte den Charakter eines öffentlichen Gebäudes „darstellen“: kompakte und einheitliche Beschaffenheit, zwei überlagerte gigantische Ordnungen über jeweils drei Geschosse, ein Dach als „Gesamtbekrönung“, Durchgänge und weite Fensteröffnungen.

Wenn Franco Stellas Entwurf heute auch abstrus erscheinen mag, so enthält er doch Komponenten, die in künftigen Wettbewerben zum beschlossenen Landtagsbau am Alten Markt wieder eine Rolle spielen: Was wird aus den Gebäuden zwischen Bibliothek und Fachhochschule? Wie soll die Straßenführung verlaufen? Was passiert mit dem Wohngebiet zwischen Altem Rathaus und Berliner Straße? Zu Letzterem hat Stella auf dem internationalen Architektenseminar 1991 bereits Vorschläge unterbreitet. Sie waren ähnlich gigantisch wie sein Landtagspalast. Nach Flächenabrissen wollte er eine Arkadenstraße mit einem Rondellplatz mit fünfzig Metern Durchmesser bauen. Insgesamt ergibt sich ein Bild, das mit Ausnahme der wenigen historischen Gebäude eher an eine gewichtige sozialistische Stadtgestalt erinnert als an italienische Leichtigkeit. Verwirklichen ließ es sich nicht. Der heutige Zustand ist in dem Stadium, auf dem der damalige Stadtrat für Stadtentwicklung Peter von Feldmann 1991 war, als er sagte: „Wir werden doch nicht die hässlichen Neubauten um die Nikolaikirche und das monströse Rechenzentrum auf dem Platz der verschwundenen Garnisonkirche abreißen, solange Not an Arbeitsplätzen und Wohnungen herrscht.“

Günter Schenke

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