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Landeshauptstadt: Frauenhaus überbelegt

18- bis 25-Jährige auf der Flucht vor Hartz IV-Zwang

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Innenstadt - Potsdams Frauenhaus muss anbauen. „Tatsächlich suchen wir aktuell weitere Mietflächen, um unser Zufluchtsangebot erweitern zu können“, sagte Heiderose Gerber, Geschäftsführerin des Verein Autonomes Frauenzentrum e.V. gestern bei einem Besuch der Potsdamer CDU-Bundestagsabgeordneten Katherina Reiche.

Aktuell verfüge das Frauenhaus über 17 Plätze und zwei Zufluchtswohnungen mit je zwei Zimmern. Zu wenig für den Bedarf, so Gerber. Im vergangenen Jahr habe man mehrere hilfesuchende Frauen an andere Häuser in Brandenburg und Berlin verweisen müssen, „weil wir eigentlich ständig voll belegt sind“, sagte auch Simin Tabeshian, die sich mit einer zweiten Kollegin die Frauenarbeit im Frauenhaus teilt. Dass sie über keinen freien Platz verfügten, hinge auch mit der immer länger werdenden Verweildauer im geschützten Raum zusammen. Die Mehrzahl der Frauen seien Migrantinnen, deren Problemlagen bedingt durch ihre unbeständige Aufenthaltssituation oftmals sehr schwierig sei, so Tabeshian. Manche blieben deshalb bis zu eineinhalb Jahren im Frauenhaus; vor ein paar Jahren noch habe der Schnitt bei sechs Monaten gelegen. Einige der Frauen hätten auch so „massive Gewalterfahrungen“ gemacht, dass sie einen Raum für sich benötigten. „Das können wir unter den derzeitigen Verhältnissen nicht gewährleisten“, so die Chefin des Frauenzentrums. Auch nehme die Zahl der jungen Frauen zwischen 18 und 25 Jahren zu, die Zuflucht suchten. Sie flüchteten aus ihren schwierigen Elternhäusern, in denen sie aber laut Hartz IV-Gesetzgebung wohnen bleiben müssten, wenn sie nicht selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen können.

Das Gesetz sei eine „mittlere Katastrophe“, sagte auch die Psychologin Lydia Sandrock, Leiterin der Beratungsstelle für Mädchen und Frauen in Potsdam. Sie kenne Fälle, in denen die Eltern ihren Töchtern nur noch das Schlafen gewährten. „Sie dürfen weder Duschen, noch essen, weil das Kosten verursacht“, erzählte Sandrock. Sie mache aber auch die Erfahrung, dass zunehmend mehr Frauen in dieser Altersgruppe nicht mehr in der Lage seien, ein eigenes Leben zu führen. „Auch darauf müssen wir unser Angebot abstimmen“, sagte Heiderose Gerber. Und das hinge wiederum an den finanziellen Möglichkeiten. Einen konstanten Geldfluss gebe es nicht, vielmehr bestreite das Frauenzentrum seine Aufgaben von der Krisenarbeit bis zu Kulturangeboten über Projektförderungen aus Töpfen der Stadt, des Landkreises Mittelmark und dem Land, die jedes Jahr neu bewilligt werden müssten. Eine weitere Quelle könnte jetzt hinzukommen: nämlich der „Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“, den die Bundestagsabgeordnete Reiche empfahl.

Beim Thema „Häusliche Gewalt“ sei die Polizei inzwischen sensibilisiert, sagte Sandrock. Etwas weniger als 200 Einsätze seien die Potsdamer Beamten im vergangenen Jahr gefahren und in 24 Fällen hätten die betroffenen Frauen Beratungsbedarf angemeldet. Nicola Klusemann

Nicola Klusemann

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