Landeshauptstadt: „FrauenStärken leben“
Zumindest zahlenmäßig sind die Potsdamerinnen in der Überzahl: Eine Umschau zum Frauentag
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Innenstadt – 77 829 Glückwünsche müsste der Oberbürgermeister heute aussprechen, wollte er allen Potsdamerinnen zum Internationalen Frauentag gratulieren. Genau so viele Frauen sind beim Einwohnermeldeamt registriert. Die Männer liegen dagegen mit 72 203 um vier Prozent zurück. Erst vor wenigen Wochen wurde Potsdams 150 000. Einwohner begrüßt – eine Frau, die 20-jährige Studentin Tanja Schick. Was machen die Potsdamerinnen aus ihrem zahlenmäßigen Vorteil? „FrauenStärken leben“, wie das Motto des diesjährigen Frauentags lautet?
Die Potsdamer Frauen arbeiten. 55 Prozent der Beschäftigten in Potsdam sind weiblich, sagt Isabel Wolling von der Arbeitsagentur. Auch die Arbeitslosigkeit unter Frauen ist geringer: Nur 42,6 Prozent der insgesamt 7281 Arbeitslosen in der Landeshauptstadt sind Frauen, 57,4 Prozent dagegen Männer. Während 2944 Männer ALG-II beziehen, sind es nur 2098 Frauen.
Den hohen Frauenanteil am Arbeitsmarkt erklärt sich Wolling mit dem ausgeprägten Dienstleistungssektor und den vielen Verwaltungen – klassische Frauenberufe: So sind in der Stadtverwaltung 1286 von insgesamt 1937 Mitarbeitern Frauen. Ganze 11 201 Potsdamerinnen arbeiten als Bürokraft – das ist mehr als jede vierte Beschäftigte. Den nächsten Platz in der Berufs-Hitliste der Frauen nehmen die Gesundheitsdienstberufe mit 4174 und die Verkäuferinnen mit 3086 ein. „Der Zugang zu Führungspositionen ist für Frauen immer noch schwer“, sagt Wolling.
Dabei werden sie vor Ort gut ausgebildet: Von den 18 880 Studenten der Uni Potsdam sind 58 Prozent Frauen. Auch die 150 000. Potsdamerin, die Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) im Februar begrüßte, studiert an der Uni. Dagegen ist allerdings immer noch nur jede sechste Professur weiblich besetzt.
Heiderose Gerber, die Vorsitzende des Autonomen Frauenzentrums e.V., sieht die Zahlen auch in einem anderen Licht: Frauen verdienen bei gleicher Qualifizierung heute immer noch 25 Prozent weniger als Männer, sagt sie. Statt eines Mindestlohnes für Lokführer fordert sie den „Frauenlohn“. Ein gesichertes Einkommen sei die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben.
Die Realität, die sie im Frauenzentrum täglich erlebt, sieht oft anders aus. 36 Frauen und 20 Kinder habe das Frauenhaus 2007 aufgenommen: Potsdamerinnen, die vor ihren prügelnden Männern zuhause nicht mehr sicher waren. Die 17 Plätze im Frauenhaus sind längst nicht mehr genug: „Wir mussten viele Frauen weitervermitteln“, so Gerber. Momentan verhandele sie mit Pro Potsdam über neue Räume.
Im Dezember 2007 neu gegründeten „Potsdamer Frauenrat“ will sich Heiderose Gerber jetzt auch für mehr Frauen in der Politik einsetzen: Nur 17 von 50 Stadtverordneten sind Frauen. Vor der Kommunalwahl im September will der Frauenrat Kandidatinnen einladen und über Politik diskutieren. Dass Frauen nicht an Politik interessiert sind, hält Gerber für eine schlechte Ausrede: „Interessenlagen von Frauen gibt es überall.“ Statt Frauen gezielt anzusprechen, werde in Parteien aber immer noch vieles „unter Männern abgehandelt“, vermutet sie. Am liebsten sähe sie eine Quotierung, wie sie bei den Bündnisgrünen praktiziert wird.
Heute Vormittag kann Gerber darüber mit Katharina Reiche (CDU) diskutieren: Denn die Bundestagsabgeordnete hat sich zum traditionellen Frauenbrunch im Frauenzentrum, Zeppelinstraße 189, angekündigt. Ab 19 Uhr lädt die Gleichstellungsbeauftragte der Stadtverwaltung zur Feier in den Nikolaisaal. Dort wird unter anderem der Film „Mädchen und Frauen in Brandenburg“ gezeigt. Regisseurin Katharina Riedel sprach dafür mit Frauen von 18 bis 80 Jahren.
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