PYAnissimo: Freie Fahrt für Schlümpfe
Irgendwo in Potsdam muss es ein schwarzes Loch geben. In dem Kita- und Hortplätze verschwinden, ganze Schulen, Bolzplätze, Parkplätze, Radwege, Ateliers und Bandproberäume, Wohnraum sowieso.
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Irgendwo in Potsdam muss es ein schwarzes Loch geben. In dem Kita- und Hortplätze verschwinden, ganze Schulen, Bolzplätze, Parkplätze, Radwege, Ateliers und Bandproberäume, Wohnraum sowieso. Alles fehlt, alles ist weg, nicht da, warum auch immer. Und keiner hats gemerkt, jedenfalls tun alle immer so überrascht, wenn wieder einmal etwas verschwindet. „Oh, was ist denn da passiert, es fehlen ja 150 Hortplätze. Und mehrere Grundschulen!“ Es ist aber auch schwer, Stadtplanung für Familien. Familien mit Kindern sind so etwas von planungsresistent und unstet. Plötzlich sind sie da, wie aus dem Nichts. (Ich muss immer an das Schlumpflied denken: Sagt mal, wo kommt ihr denn her?) Am Stadtrand ploppen die Siedlungshäuschen wie Pilze aus dem Boden, nach Babelsberg ziehen sie wie verrückt und auch die grüne Gartenstadt zieht neue Bewohner an. Mit – man glaubt es kaum – Eltern, die Kinder produzieren. In der preisgekrönten, familienfreundlichen Stadt sorgt dieser gesellschaftlich-biologische Werdegang immer wieder für Erstaunen.
Ich glaube langsam, da steckt die Containermafia dahinter. Die auf neue Absatzmärkte auf Schulhöfen hofft. Anders kann ich mir nicht erklären, dass unsere Leitbildexperten den Menschen, also den prä-Menopause-fortpflanzungswilligen Menschen, bei ihrer Planung einfach so vergessen könnten. Die verlässlichen Mutter-Vater-Kind-Konstellationen, die Ritterfest-Besucher und künftigen Schwimmhalleneintrittszahler, die Einzelhandelsaufschwunggaranten, die Konjunkturstärker, die Vip-Monatskartenabonnenten, all die knuffigen kleinen künftigen Steuerzahler, über die im Jahr ihrer Geburt enthusiastisch und penibel Buch geführt wird, das erste Neujahrsbaby, das 1000ste Baby, das Weihnachtsbaby, alle gezählt, registriert, bejubelt.
Vermutlich verschwinden auch sie dann in dem schwarzen Loch, um kurz vor Kita-Eintritt oder Einschulung wieder aufzutauchen. Das kann eine Bevölkerungsentwicklungsexpertenkommission unmöglich erahnen. Ein bisschen kann man ja verstehen, warum das so ist. Potsdams Stadtplaner sind einfach überlastet. Potsdam soll schließlich die perfekte Stadt werden, das ist ein anstrengendes Vorhaben. Da gibt es viel zu bedenken, Fassadenfarbtöne zum Beispiel. Beleuchtungskonzepte. Oder die Suche nach einem Ort für eine Wiese des Volkes. Am Luftschiffhafen soll das unansehnliche wilde Parken ein Ende haben, auch rund um den Heiligen See gibt es nun endlich Parkraumbewirtschaftung. Und nicht zu vergessen das Ringen, ob Parkeintritt oder nicht. Da kann man ein paar Hundert Schulkinder schon mal aus den Augen verlieren.
Aber es gibt Hoffnung. Es gibt einen Antrag auf freie Fahrt für Kinder, die in Tram oder Bus auf Kita-Ausflügen unterwegs sind. Das ist doch was. Der Weg ist das Ziel. Und wenn es dann auch eine Kita, Schule oder einen Hort gibt, wo man ein- und aussteigen kann, dann freuen wir uns ein Loch in den Bauch. Aber bloß kein schwarzes!
Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg
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