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Die Kindertagesstätte Am Kanal 67 in Potsdam wurde grundlegend saniert und modernisiert. Das Nachkriegsgebäude erhielt einen Erweiterungsbau, in der die vorgesetzten Gruppenräume zu schweben scheinen.

© Architektenkammer

Tag der Architektur: Freier Blick auf neue Räume

Am Sonntag sind wieder zahlreiche neue und sanierte Häuser in Potsdam und Umgebung zu besichtigen. Wie Architekten mit alten Gemäuern umgehen, zeigen zwei Beispiele

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Es ist ein Haus im Haus. Im alten Gemäuer steckt ein komplett neues Gebäude. In die ehemalige Reithalle in der Potsdamer Pappelallee 34 a bis 34 c haben die Architekten des Potsdamer Architekturbüros van Geisten Marfels vor zwei Jahren ein modernes Wohnhaus hineingesetzt. Ein schlichter Putzbau, der innerhalb der ehemaligen Reithalle entstanden ist, sich quasi in ihr versteckt und das bejahrte frühere Militärgebäude zugleich modern aufwertet. Das alte Klinkergemäuer, das einst den königlichen Pferden und Reitern des 1. Garde-Ulanen-Regiments Schutz vor den Unbilden des Wetters bot, bildet nun so etwas wie eine steinerne Maske für das in ihm steckende neue Mehrfamilienhaus.

„Das Haus innen ist wirklich ein einfaches Gebäude“, sagt Georg Marfels, der mit seinem Büro für den Entwurf und die Ausführungsplanung zuständig war. Selbst die Balkone des ockerfarbenen neuen Gebäudes verschwinden hinter der Fassade des Altbaus, der einst zum Ensemble der Ruinenbergkaserne gehörte. 18 Wohnungen, verteilt über drei Geschosse, haben Georg Marfels und Eric van Geisten in dem Gebäude untergebracht. Jede Wohnung besitzt entweder einen Balkon oder eine Terrasse.

Beim Entwurf des in der Reithalle stehenden neuen Wohnhauses mussten die Architekten immer das alte, außen stehende Gemäuer mitdenken. So war zum Beispiel zu berücksichtigen, wo das Licht durch die alten Fensteröffnungen hereinfällt, wie Marfels berichtet.

Eine besonders interessante Lösung haben sich die Architekten für das Dachgeschoss ausgedacht. Damit genügend Licht in die dortigen Wohnungen und auf die Balkone fällt, wurde das untere Drittel des Satteldaches geöffnet. Dabei haben es die Architekten jedoch geschickt vermieden, dass die Balkone von außen so wirken, als seien sie wie Dachterrassen quasi in das Dach hineingeschnitten worden. Erreicht wurde dies durch einen optischen Trick: Gleichsam wie Dachlatten erstrecken sich Stäbe aus Flachstahl über diese Dachöffnungen. Der Stahl ist in einem ebenso anthrazitfarbenen Ton gehalten wie die Ziegel im oberen Bereich des Daches. Dies erweckt bei einem flüchtigen Blick den Eindruck einer geschlossenen Dachfläche. Erst bei etwas genauerem Hinschauen wird die Konstruktion sichtbar.

„Die Denkmalpfleger wollen natürlich, dass man von außen nichts verändert“, sagt Marfels. Jeder Eingriff in die äußere Hülle bedarf daher einer gewissen Rechtfertigung. In diesem Sinne habe man mit der gewählten Flachstahlkonstruktion eine möglichst denkmalverträgliche Lösung gefunden, erläutert der Architekt. Die stählernen Pseudo-Dachlatten seien übrigens auch kein Problem für den ungetrübten Blick aus den Dachgeschosswohnungen hinaus ins Freie, versichert Marfels. Schaue man von der Straße aus auf die Konstruktion, ergebe sich zwar der Eindruck, als seien die Linien aus Flachstahl recht dicht nebeneinander angeordnet. Dies komme einem wegen der Dachschräge aber nur so vor. In Wahrheit seien die Abstände zwischen den Flachstahllinien gar nicht so gering.

Bereits vor wenigen Jahren, beim Umbau der alten Exerzierhalle in der Roten Kaserne nahe der Nedlitzer Straße, wendeten die Architekten des Büros van Geisten Marfels dieses Bauprinzip an. Dort wurde ein kleiner Hof in das Gebäude geschnitten und mit "Dachlatten" aus Metall überspannt.

Interessant ist auch, was sich Marfels und sein Team für die zur Pappelallee gerichteten neogotischen Fenster der um 1890 errichteten Reithalle ausgedacht haben: Die kunstvolle Aufteilung der einstigen Scheiben innerhalb der einzelnen Fenster wurde mit Flachstahlelementen „nachgezeichnet“. Die Architektur vermittelt dabei ein wenig den Eindruck, als handele es sich um Fenster aus einer gotischen Backsteinkirche. Scheiben hat Marfels nur in bestimmte Segmente der früheren Fenster einsetzen lassen. Schließlich ist die alte Wand der Reithalle heute keine Außenmauer mehr.

Nach Angaben der Bauherrin, der bayerischen Firma Terraplan, wurden in das Projekt, zu dem auch zwei kleinere seitliche Anbauten gehören, zirka 5,5 Millionen Euro investiert. In der Reithalle und den Anbauten seien insgesamt 20 Miet- und Eigentumswohnungen entstanden, sagt Terraplan-Geschäftsführer Erik Roßnagel.

Einen Wermutstropfen gibt es noch: Obwohl das Haus schon 2013 bezogen wurde, sind die Malerarbeiten in den Treppenhäusern des Hauptgebäudes noch immer nicht beendet.

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