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Entlastet. Bernd Althusmann.

© dpa

Homepage: Freispruch zweiter Klasse

Bernd Althusmann wurde von der Uni Potsdam trotz erheblicher Mängel in seiner Promotion vom Plagiatsvorwurf freigesprochen

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Die Universität Potsdam musste gestern erklären, wieso sie den Plagiatsvorwurf gegen Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) trotz vielfacher formaler Mängel in dessen Promotion für unberechtigt hält. Althusmann war vorgeworfen worden, in seiner 2007 an der Uni Potsdam eingereichten Dissertation fremde gedankliche Leistungen versteckt als eigene ausgegeben zu haben. Eine Prüfkommission der Universität ist nun zu dem Ergebnis gekommen, dass die vielfachen formalen Verstöße nicht ausreichen, um den Tatbestand wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu erfüllen.

Dem 44-jährigen CDU-Politiker, der Vorsitzender der Kultusministerkonferenz (KMK) ist, war im Sommer in einem Beitrag der „Zeit“ vorgeworfen worden, sich auf 88 von 114 untersuchten Seiten der 290 Seiten umfassenden Arbeit „großzügig aus fremdem geistigen Eigentum“ bedient „ohne dies in der notwendigen Weise deutlich gemacht zu haben“. Kommissionsvorsitzender Tobias Lettl, Jurist der Uni Potsdam, erklärte vor Journalisten, dass die vorgefundenen formalen Mängel nicht guter wissenschaftlicher Praxis entsprechen würden. Dennoch sprach die Kommission den CDU-Politiker von einer bewussten Täuschungsabsicht frei. Der objektive Tatbestand einer Falschangabe, eine Verletzung geistigen Eigentums oder eine Beeinträchtigung der Forschungstätigkeit anderer sei nicht gegeben. Trotz der mangelhaften Ausführung der Zitate könne Althusmann Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nicht nachgewiesen werden. „Insbesondere spricht die Gutgläubigkeit von Herrn Althusmann im Hinblick auf die von ihm angewandte Methodik gegen das Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit“, so Lettl. Ein klares Signal ging von der Kommission an Doktorvater Dieter Wagner: „Die Gutachter haben die Arbeit nicht ausreichend auf Verstöße gegen gute wissenschaftliche Praxis überprüft.“

Die Fehler beim Zitieren fremder Quellen betrafen in erster Linie längere Passagen, die Althusmann in seiner Arbeit von anderen Wissenschaftlern übernommen hatte, hier war in Fußnoten lediglich mit dem Hinweis „vergleiche“ auf die Quellen aufmerksam gemacht worden. Die wörtliche Wiedergabe fremder Textfragmente ohne Kenntlichmachung im eigenen Text selbst etwa durch Anführungszeichen, sondern nur durch ein „Vgl.“-Verweis in der jeweiligen Fußnote bewertete die Kommission als „ Mängel von erheblichem Gewicht“. Diese Verstöße seien zumindest teilweise ohne weiteres erkennbar gewesen. Fazit der Kommission: Althusmann hat schlammpig gearbeitet, aber nicht vorsätzlich getäuscht.

Für die Zukunft müssten an der Universität Potsdam Vorkehrungen getroffen werden, dass derartige Verstöße gegen gute wissenschaftliche Praxis nicht mehr vorkommen, so Lettl. Er kündigte an, dass die Kommission der Universität dazu Empfehlungen geben werde. Der geschäftsführende Uni-Präsident Thomas Grünewald sagte, dass sich die Universität Potsdam nun zusammen mit anderen Universitäten für hochschulübergreifende Standards zur Qualitätssicherung in der Promotionsphase einsetzen wolle.

Althusmanns Doktorvater Dieter Wagner hatte bereits bei Bekanntwerden der Vorwürfe angekündigt, sich in Zukunft für eine genauere Prüfung von wissenschaftlichen Arbeiten einsetzen zu wollen. Die Dissertation über Prozesse in der öffentlichen Verwaltung war mit der schlechtesten Note „rite“ (genügend) bewertet worden. Aus dem Kreise der Prüfer hatte die „Zeit“ erfahren, dass die Promotionsschrift nach siebenjähriger Entstehungszeit mehrfach überarbeitet werden musste und dann „über den Zaun gehoben“ wurde.

Wieso eine solche Arbeit trotz der von der Kommission erfassten Mängel nun weiter Bestand hat, erklärte Uni-Präsident Thomas Grünewald. Man müsse zwischen der fachlichen Beurteilung einer wissenschaftlichen Arbeit und dem Tatbestand des wissenschaftlichen Fehlverhaltens differenzieren, sagt er. Die fachliche Beurteilung liege im Ermessenspielraum der Gutachter. Nach Einstellung des Plagiats-Verfahrens gegen Althusmann bleibt für die Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD), allerdings „ein mulmiges Gefühl zurück“. Die Erklärung der Promotionskommission der Universität Potsdam lese sich „wie ein Freispruch zweiter Klasse“, so die SPD-Politikerin.

Darüber, dass das Ergebnis der Kommission bereits im Vorfeld in CDU-Kreisen bekannt gewesen war, zeigte sich Kommissionschef Lettl überrascht. Von ihm sei nichts nach außen gedrungen. Auf Nachfrage eines Journalisten erklärte er auch, dass die Arbeit der Kommission völlig frei und ohne Druck von außen stattgefunden habe. In diesem Jahr hatte es bereits zwei weitere Plagiatsverdachtsfälle im Umfeld der Universität Potsdam gegeben. Zum einen hatte ein mittlerweile emeritierter Mathematikprofessor aus einem Sachbuch abgeschrieben. Zum anderen prüft die Universität Bonn die Promotion der FDP-Politikerin und Potsdamer Honorarprofessorin Margarita Mathiopoulos aus dem Jahre 1986 auf Plagiate.

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