Landeshauptstadt: „Führerschule“ am Kieskutenberg
Komplex der Architekten Hanns Dustmann und Robert Braun blieb Potsdam zum Glück erspart
Stand:
Am Kieskutenberg an der Templiner Straße gegenüber der Pirschheide sollte ab 1940 eine Adolf-Hitler-Schule entstehen. Deren Ausführung blieb Potsdam zum Glück erspart.
Der Entwurf zeigt eine ausgedehnte kasernenartige Anlage oberhalb der Uferböschung zum Templiner See. Von dort führt eine riesige Freitreppe hinauf in den Eingangsbereich mit zehn Säulen. Insgesamt war eine sachliche, wenn auch monumental wirkende Anlage mit höchstens drei Stockwerken geplant. Ein großer Exerzier- und Veranstaltungshof in der Mitte, zwei weitere Ex-Anlagen zu beiden Seiten und die Unterkünfte für die Adolf-Hitler-Schüler im Waldgebiet.
Zwischen Wald und See sahen die Planer den geeignete Ort zur Vermittlung der Nazi-Ideologie, hier ließen sich Geist und Körper gleichermaßen formen; die nahe Garnisonstadt bot mit ihren preußischen Traditionen und Kasernen und nicht zuletzt mit der Garnisonkirche einen willkommenen Wallfahrtsort.
Den Entwurf für die Potsdamer Adolf-Hitler-Schule am Templiner See lieferten die Architekten Hanns Dustmann und Robert Braun. Der Berliner Architekt Hans Dustmann, ein Schwager des Reichsjugendführers Baldur von Schirach und enger Vertrauter von Hitlers Hofarchitekten und Rüstungsminister Albert Speer, war Reichsarchitekt für Heime der Hitlerjugend (HJ). In seiner noch vor Kriegsausbruch verfassten „Baufibel“ verkündete er, dass „die Bauten der Jugend das Lied ihrer Landschaft singen, sie steigen aus dem tiefen Quell deutschen Volkstums und werden wiederspiegeln die Mannigfaltigkeit unserer Gaue und die Vielfalt ihrer Stammesart“. In diesem Sinne entstanden unter anderem das Herrmann-Göring-Heim der HJ in Melle und die NSKK-Motorsportschule im Harz in Bad Gandersheim in Niedersachsen. Dustmann entwarf für Berlin den Adolf-Hitler-Platz, den heutigen Theodor-Heuss-Platz.
Nach der Ernennung seines Schwagers zum Reichsstatthalter und Gauleiters von Wien über nahm er 1940 die Stadtplanung von Wien. Die gigantisch geplante Umgestaltung der österreichischen Hauptstadt blieb Fragment. Dustmanns Partner beim Potsdamer Entwurf, Robert Braun, hatte bereits beim HJ-Heim in Melle mit dem „Reichsarchitekten“ zusammengearbeitet.
Hitler hatte anlässlich der Eröffnung der ersten Architektur- und Kunsthandwerk-Ausstellung 1937 in München den Bau weiterer „Führerschulen“ in jedem Gau angekündigt. Ein dichtes Netz von Parteischulen sollte das Land überziehen. Die „Adolf-Hitler-Schulen“ , die auf die soldatische Ausbildung ausgerichtet waren, wurden als aufwändige Repräsentationsbauten geplant und nahmen nur Männer auf.
Das Potsdamer Projekt an der Templiner Straße war 1940 bis zur Baureife vorangeschritten. Das Modell mit seinem klassizistischen Risalitgiebel strahlte die Formensprache klösterlicher und militärischer Ordnung aus. In seinem 1998 erschienenen Buch „Bauten unterm Hakenkreuz“ bemerkt dazu Helmut Weihsmann: „Umschlossen wäre der quadratische Ehrenhof mit Schulungs- und Verwaltungstrakten von 132 Fensterachsen gewesen. Man bemerkt, wie in diesem Maßstab die Architektur ins Denkmalhafte gesteigert worden wäre.“ Am Ende sei der geplante Potsdamer Bau aber nicht ausgeführt worden, weil die Führung beschloss, die Schule nach Frankfurt an der Oder zu verlegen.
Andere repräsentative Bauten der Zeit des Nationalsozialismus sind in Potsdam noch heute zu besichtigen, dazu gehören unter anderem die 1936 im germanischen Fachwerk-Baustil mit Strohdach entstandene Gaststätte „Seekrug“ am Templiner See in der Straße An der Pirschheide 28 von Reinhold Mohr aus dem städtischen Hochbauamt, das Präsidialgebäude des Deutschen Roten Kreuzes von Norbert Demmel und Emil Fahrenkamp in der August-Bebel-Straße 89, die von Fritz Schopohl umgebaute Kriegsschule am Havelblick 8 – derzeit Sitz des Landtags des Landes Brandenburg – und die Reste der Arado-Flugzeugwerke in der Friedrich-Engels-Straße 23, heute von der Märkischen Verlags- und Druckanstalt GmbH genutzt.
Wer einen bisher nicht verwirklichten Architektur-Entwurf für die PNN-Serie „Luftschlösser“ vorschlagen möchte, meldet sich unter Tel.: (0331) 2376 134, Fax: (0331) 23 76 300 oder per E-mail an lokales.pnn@pnn.de.
Günter Schenke
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