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Brauchen jetzt eine große Wohnung: Khatun Kuto Schekho (links) und Kheder Schekho Yousif mit fünf ihrer sieben Kinder vor dem Wohnheim Am Nuthetal.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Fünf Betten für bald neun Personen

Eine Familie aus dem Irak sucht dringend eine Wohnung. Das Flüchtlingswohnheim ist zurzeit voll belegt

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Auf dieser Couch im Wohnzimmer kann keiner schlafen. Das gutgemeinte aber sperrige Sofa taugt vielleicht zum gemütlichen Kaffeetrinken aber nicht als Schlafmöbel, das die Familie von Khatun Kuto Schekho und ihrem Mann Kheder Schekho Yousif so dringend bräuchte. Seit eineinhalb Jahren wohnt die siebenköpfige Familie, yezidische Kurden aus dem Irak, auf etwa 49 Quadratmetern im Flüchtlingswohnheim des Diakonischen Werks. Erst Anfang August war das jüngste Kind dazu gekommen, nun ist alles noch beengter und die Schlafstellen reichen schon lange nicht mehr aus.

Seit die Mutter als politischer Flüchtling anerkannt ist, hätten sie theoretisch das Recht auf eine eigene Wohnung. Die Miete würde das Jobcenter nach dem Sozialgesetzbuch übernehmen. Bisher verlief die Wohnungssuche für die Großfamilie ohne Erfolg, sagt Sozialarbeiterin Ina Stiebitz vom Betreuungsfachdienst für Migranten und Migrantinnen, die gemeinsam mit einer Familienhelferin der Diakonie die Familie betreut. „Wir haben bei der Gewoba angefragt aber nichts gefunden, auch auf dem privaten Wohnungsmarkt hatten wir bisher kein Glück“, sagt Stiebitz. Oft schrecken die Vermieter vor großen Wohnungsbelegungen zurück, ist ihr Eindruck. Ein Haus mit kleinem Garten wäre ideal, aber ein von Semmelhaak zur Miete angebotenes kam nicht in Frage, da es nur ein Bad hatte. Doch nun sollen in wenigen Wochen die beiden großen Töchter aus dem Irak nachkommen, die die Mutter vor ihrer Flucht dort zurücklassen musste. Nach einem langwierigen Verfahren wurden endlich die Visa ausgestellt, nur das Geld für die Flüge muss noch beantragt werden. Frau Kuto Schekho weint, als sie diese Nachricht bekommt. Sie hat die Mädchen seit ihrer Flucht nicht mehr gesehen und manchmal schon nicht mehr an eine Familienzusammenführung geglaubt.

Doch spätestens dann wird es richtig eng im Heim. Außer dem ohnehin schon kleinen Wohnzimmer gibt es nur noch zwei kleine Schlafkammern mit je einem Doppelstockbett, in einer Kammer steht zusätzlich das Kinderbett, in der anderen eine Miniküche. „Katastrophal“ nennt Stiebitz die Situation. In so einer Wohneinheit mit Bad seien normalerweise bis zu zwei Erwachsene und drei Kinder untergebracht, heißt es seitens der Heimleitung. Das Heim ist mit 170 Personen derzeit voll belegt, aber Diakonie-Geschäftsführer Marcel Kankarowitsch sagt, sollte die Familie keine Wohnung finden, müsste ihr im Heim mehr Wohnraum, „wahrscheinlich ein weiteres Appartement“, zur Verfügung gestellt werden. Dass das nur eine Notlösung sein kann, ist allen Beteiligten klar. Familienvater Kheder Schekho Yousif zeigt auf Wasserflecken an den Außenwänden über dem Kinderbett. „Nicht gut für Baby“, sagt er. Auf dem Doppelstockbett stapeln sich Matratzen. Die Mutter schläft mit den beiden zweitjüngsten Kindern nebeneinander auf dem Boden, ein breites Ehebett gibt es nicht. Im zweiten Doppelstockbett schlafen die älteren Kinder. Ihre Habseligkeiten sind in zwei Schränken und auf dem Balkon verteilt, dort trocknet auch die Wäsche, steht ein Fahrrad. Überall Enge, doch das kleine Wohnzimmer ist penibel aufgeräumt.

„Wir haben uns mit der Bitte um Unterstützung an das Wohnungsamt der Stadt gewandt“, sagt die Sozialarbeiterin, doch es hieß, so große Wohnungen gebe es nicht. „Das stimmt“, sagt Pressesprecher Jan Brunzlow, „Wohnungen mit fünf oder sechs Zimmern sind selten.“ Auch die Idee, zwei Wohnungen zusammenzulegen sei nicht immer so einfach durchführbar, die Pro Potsdam habe derzeit nur knapp 30 vermietbare leerstehende Wohnungen. Unbedingt hilfreich sei ein Wohnberechtigungsschein, um Zugriff auf belegungsgebundene Wohnungen zu bekommen, heißt es aus dem Rathaus. Dass es im Falle der Familie aus dem Irak noch nicht geklappt hat, könne auch damit zu tun haben, dass der Fachbereich Wohnen von der aktuellen Entwicklung, der Geburt des jüngsten Kindes und dem Nachzug der großen Töchter, nichts wusste.

Stiebitz vermutet, es könnte auch daran liegen, dass die Eltern von unterschiedlichen Leistungsträgern betreut werden, die Mutter vom Jobcenter und der Vater vom Sozialamt, weil er bisher nur eine Duldung hat. „Das macht alles sehr kompliziert.“ Die Geburtsurkunde für das Baby habe sie auch erst vor wenigen Tagen bekommen. „Den Wohnberechtigungsschein hat die Familie vor drei Wochen beantragt, aber es hieß, sie müsse warten, bis alle Töchter hier in Deutschland sind,“ sagt die Sozialarbeiterin. Grundsätzlich seien die Mitarbeiter des Wohnungsamts aber sehr bemüht zu helfen.

Die Familie selbst hat noch mehr Sorgen: Der sechsjährige Sohn besucht wegen einer Behinderung die Oberlinschule, die elf und neun Jahre alten Kinder, die im Irak noch nie zur Schule gehen konnten, mussten sich hier erst daran gewöhnen. Auch Vater Kheder Schekho Yousif, der im Irak in der Landwirtschaft und im Wachschutz tätig war, lernt jetzt Deutsch.

Diakonie-Geschäftsführer Kankarowitsch sagt, zurzeit wohnen etwa 80 Personen und Familien, ehemalige Heimbewohner, in eigenen Wohnungen. Das funktioniere sehr gut und sei ein „herausragend wichtiger Schritt zur Integration“. Dass sich die Wohnungssuche in diesem Fall als so schwierig erweist, mag schlicht an der „unüblichen Familiengröße“ liegen und dass preiswerter Wohnraum in Potsdam so nachgefragt sei. Familie Schekho hofft, dass sich vielleicht ein privater Vermieter findet oder eine innovative Lösung. „Wir hatten schon den Fall, dass eine ehemalige Arztpraxis zu einer großen Wohnung umgebaut wurde,“ sagt Sozialarbeiterin Stiebitz hoffnungsvoll.

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