Sport: Fünf Oberrealschüler machten den Anfang Mit dem RC Vineta wurde vor 125 Jahren
der erste Ruderverein in Potsdam gegründet
Stand:
Mit ihrem traditionellen Anrudern am „Seekrug“ läuten Potsdams Ruderer heute ein Jubiläumsjahr ein: Vor 125 Jahren wurde der erste Ruderverein der damaligen Residenz- und heutigen Landeshauptstadt aus der Taufe gehoben. Damit gibt es diese Sportart hier genau so lange wie den Deutschen Ruderverband, der 1883 als erster deutscher Sportverband gegründet wurde. RC Vineta heißt Potsdams erster Ruderclub, dessen jetziger Vorsitzender Werner Löffler zu den heutigen Gästen am und im Seekrug zählt.
An Löffler war noch lange nicht zu denken, als fünf ältere Oberrealschüler am 3. Mai 1893, einem Donnerstag, beschlossen, einen Ruderclub zur „Förderung der körperlichen Kraft und zum Zwecke des Zusammenhaltes und Vergnügens“, wie es in den Annalen heißt, zu gründen. In den ersten Jahren musste für die Ausfahrten ein Bootsverleih bemüht werden, von dem zunächst meist ein Sechsriemer mit festen Sitzen geliehen wurde. Anfangs dümpelte der neue Club vor sich hin, erst als neue Statuten auch die Mitgliedschaft älterer, berufstätiger Potsdamer ermöglichten und 1887 der Riemenvierer „Loreley“ als erstes eigenes Boot angeschafft wurde, ging es voran. Um sich an Regatten beteiligen zu können, trat der RC Vineta ebenfalls 1887 dem Deutschen Ruderverband bei, und vier Jahre später startete ein in England gebauter Vierer mit Steuermann erstmals für Vineta in Grünau. „Die im Rollsitz eingeklemmte Hose des Schlagmannes verhinderte jedoch den fast sicheren Sieg“, weiß die Chronik von diesem Rennen zu berichten. 1894 wurde ein Grundstück nahe der Glienicker Brücke erworben, auf dem im Jahr darauf das erste massive Bootshaus Potsdams feierlich eingeweiht wurde.
Deren schöne Lage bescherte Vineta großen Zulauf; 1896 wurde das einhundertste Mitglied aufgenommen, und im gleichen Jahr errang Einer-Ruderer Richard Rhode zwei Siege für den RC. In den folgenden Jahrzehnten folgten zahlreiche weitere regionale und nationale sportliche Erfolge sowie 1910 die Einweihung eines neuen Klubhauses in der Form, in der es bis zum Abriss 1979 bekannt war. Nachdem es durch die sowjetische Besatzungsmacht beschlagnahmt worden war, hatten 1946 zwei Vereinsmitglieder aus dem nunmehr im Grenzgebiet stehenden Gebäude noch Fotoalben und Vereinsfahne holen dürfen. Dann war Vinetas Geschichte in Potsdam – zunächst – zu Ende.
„Mitte der fünfziger Jahre wurde Vineta in Mannheim wiederbelebt, Hausrecht erhielt der Verein bei der Rudergesellschaft Eberbach am Neckar“, weiß Werner Löffler, der 1949 in der Rudersparte Potsdam mit dem Rudern begonnen hatte und nach der politischen Wende 1991 zu den Mitbegründern der Potsdamer Ruder-Gesellschaft gehörte, deren 2. Vorsitzender er dann lange war. „Werner Hiecke, der bis 1951 noch Trainer auf dem Seekrug-Gelände war und dann in den Westen ging, hatte großen Anteil daran.“ Vom 30. Mai bis 2. Juni 1991 fand das erste „Vinetatreffen“ im geeinten Deutschland wieder am Ufer des Templiner Sees statt. Löffler wurde damals Mitglied des RC – der seinen Sitz wieder nach Potsdam verlegte und Nutzungsrecht im „Seekrug“ erhielt – und übernahm vor zehn Jahren den Vorsitz von Günter Lau. „Leider sind wir nur noch ein Traditionsverein“, sagt der Fercher. „Dass wir kein eigenes Bootshaus mehr haben, ist ein großes Handicap.“ Im vergangenen Jahr habe das Verwaltungsgericht Potsdam endgültig entschieden, dass der RC Vineta das alte Grundstück rechterhand der Glienicker Brücke nicht mehr zurück erhält.
„So lange hatten wir noch ein bisschen Hoffnung“, gesteht Werner Löffler, der mit seinen 72 Jahren zu den jüngeren Vineta-Mitgliedern gehört. „Unser Durchschnittsalter beträgt etwa 75 Jahre“, erzählt der Vorsitzende. Die knapp 60 Vereinsangehörigen leben in ganz Deutschland verstreut, 25 von ihnen im Potsdam-Berliner Raum. Gudrun Mahlow, die Tochter des bereits erwähnten Trainers und Vineta-Wiederbegründers Werner Hiecke, zählt als 64-Jährige zu den jüngsten Mitgliedern, Ruth Henckels ist die Seniorin des Vereins.
Die jetzt 97-jährige, die vor 80 Jahren eine der ersten Ruderinnen der neu gegründeten Damen-Abteilung des RC Vineta war, lebt in Köln. Trotz der weiten Anreise hat sie bereits ihr Erscheinen am 3. Mai in Potsdam zugesagt – zur großen Festveranstaltung ihres Ruderclubs. Ab 1. Mai will Vineta im „Seekrug“ vier Tage lang das Jubiläum feiern, das in diesem Jahr auch der Potsdamer Ruder-Club begehen kann. Der PRC wurde ein halbes Jahr nach Vineta – am 6. November 1883 – von vier Männern ins Leben gerufen, erlebte ebenfalls zahlreiche nationale Erfolge und fand nach 1945 als Potsdamer RC Germania in Berlin (West) sein neues Domizil.
Die Potsdamer Ruder-Gesellschaft, die sich in der Tradition des RC Vineta und des Potsdamer Ruder-Clubs sieht, hofft in diesem Jahr auf möglichst viele Erfolge bei den Olympischen Spielen in Peking und bei den U23-Weltmeisterschaften auf dem Brandenburger Beetzsee. Das Jubiläum „125 Jahre Rudern in Potsdam“ will sie am 8. November mit einem großen „Ruderball“ feiern.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: