Landeshauptstadt: Fünffacher Pachtzins
Nutzer von Erholungsgärten erhielten Bescheide
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Die Pacht für Erholungsgärten in Potsdam wird drastisch steigen: Potsdamer, die eine entsprechend von der Stadt eingestufte Fläche nutzen, sollen bis zum Fünffachen des Bisherigen zahlen. Ihnen flattern derzeit die Bescheide des Kommunalen Immobilienservice (KIS) ins Haus. Als Erholungsgärten wurden nach der Wiedervereinigung kurzerhand alle Grundstücke eingeordnet, für die kein Pachtvertrag mit dem Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK) der DDR, jetzt Verband der Garten- und Siedlerfreunde (VGS), besteht.
Mit der im Oktober 2003 vollzogenen Eingemeindung umliegender Dörfer spitzte sich das Problem zu. Ob es sich um ein lukratives Wochenendgrundstück am Schlänitzsee oder eine Splitterfläche handelt, von der der Marquardter Rentner Kaninchenfutter holt, spielt keine Rolle. Folge: Ein großer Teil der Pachtverträge wird wohl gekündigt. Damit hätte die Stadtverwaltung die Flächen zu pflegen.
Dies würde sie teuer zu stehen kommen, erklärte VGS-Kreisgeschäftsführer Friedrich Niehaus gestern auf dem Politischen Frühschoppen zum „Tag des Kleingärtners“, auf dem sich die Fraktionsvorsitzenden der wichtigsten im Stadtparlament vertretenen Parteien zum Gespräch stellten. Er schätze die jährlichen Kosten auf etwa 40 000 bis 50 000 Euro. Der VGS schlägt deshalb vor, dass er all diese Flächen übernimmt.
Niehaus rechnete vor, dass beim VGS eine Sachbearbeiterin 3784 Gärten betreut, in der Stadtverwaltung seien es 400. Die Neuregelung würde also den Verwaltungsaufwand senken – so könnte die Pachterhöhung moderater ausfallen. Die Fraktionsvorsitzenden Hans-Jürgen Scharfenberg (Die Linke), Mike Schubert (SPD) und Steeven Bretz (CDU) könnten dem Vorschlag folgen.
Schubert wies allerdings darauf hin, dass eine komplette Rückführung auf den günstigen Kleingartenpachtzins nicht möglich sein wird. Ein Kompromiss müsse gefunden werden, was vom VGS auch akzeptiert wird. Scharfenberg forderte den KIS auf, nicht die finanziellen Interessen der Stadt in denVordergrund zu stellen, sondern das Wohl der Bürger.
Auf dem Politschoppen in der Kleingartensparte „Selbsthilfe 1917“ am Horstweg drückten die Stadtverordneten und die VGS-Vertreter ihr Unverständnis über den Bebauungsplan 109 auf, der zehn Gärten der südlich der Babelsberger Sternwarte an der Allee nach Glienicke gelegenen Kleingartenanlage „1912“ zum Bauland erklärt. Der mit den Abgeordneten und dem Kleingartenbeirat nicht abgesprochene Plan tauchte quasi aus dem Nichts einen Tag nach der Verständigung über ein neues Kleingartenkonzept auf, das auch diese Anlage dauerhaft sichert. Wie seine Abgeordnetenkollegen kündigte Steeven Bretz (CDU) an, dass er eine Herausnahme der Kleingärten aus dem Bebauungsplan anstreben wird.
Weniger optimistisch können die zehn Kleingärtner des „Erlenbruchs“ sein, deren Parzellen dem Neubau eines Rewe-Einkaufsmarktes weichen sollen. Zwar käme nach dem begonnenen Abriss der Tankstelle Horstweg auch dieses Gelände für den Kaufhallenbau in Frage, doch darauf wollen sich die Fraktionsvorsitzenden offensichtlich nicht einlassen. Sie sagten den betroffenen Kleingärtnern eine nochmalige Prüfung zu, ließen aber erkennen, dass sie den zur Versorgung des Plattenbauviertels Schlaatz nach langen Verhandlungen mit Rewe getroffenen Kompromiss nicht in Frage stellen wollen. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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