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Landeshauptstadt: Für einen Tag im selben Boot

Pro und contra zum Ausbau des Sacrow-Paretzer-Kanals im Jahr 2008

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Im kommenden Jahr sollen am Sacrow-Paretzer Kanal die ersten Bagger rollen. Laut dem Zeitplan der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordost wird im Frühjahr 2008 der Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des gut zwölf Kilometer langen Abschnittes zwischen Schlänitz- und Tiefem See gefasst, dann könnte mit den Abgrabungen am Nordufer um bis zu acht Meter begonnen werden. Zirka 800 alte Eichen und Kastanien müssten dafür gefällt und die Ufer mit Spund- oder Pfahlwänden befestigt werden. Die Bundestagsfraktion der Grünen um die Kleinmachnower Abgeordnete Cornelia Behm hatte am Sonnabend Befürworter und Gegner des Havelausbaus zu einer Dampferfahrt eingeladen.

Mit dumpfen Brausen legt die „Königswald“ in Potsdam ab, an Bord sind die wichtigsten Akteure rund um den Havelausbau. Ein „Reizklima“ wolle man daher vermeiden, sagt Moderator Tom Kirschey, Chef des märkischen Naturschutzbundes (Nabu). Bei ähnlichen Begegnungen war es in der Vergangenheit immer hoch her gegangen, da die Bürgerinitiativen besonders leidenschaftlich gegenüber den Verantwortlichen auftreten. Mittlerweile herrscht Sachlichkeit, denn zumindest heute sitzen sie alle in einem Boot. Und das steuert steten Kurses Richtung Süden über den Templiner See. Auf dem Programm steht die große Runde, einmal um die „Insel Potsdam“.

Stadtverordneter Wolfgang Grittner rekapituliert auf dem Weg durch das Caputher Gemünde die jüngsten Stationen des Havelausbaus: Nachdem 2001 das erste Planfeststellungsverfahren eingestellt worden war – die Prognosen von jährlich 19 Millionen Tonnen transportierter Güter auf dem Wasserweg waren nicht mehr haltbar – wurde 2004 ein neues eröffnet. Doch auch die korrigierten Zahlen, die Rede war von sechs Millionen Tonnen im Jahr 2015, hält Grittner für zu hoch gegriffen. „Ein Ausbau ist nicht notwendig.“ Waren es früher sechs Güterschiffe pro Stunde, die über den Sacrow-Paretzer Kanal schipperten, seien es heute maximal sechs am Tag.

Dass es einen so dichten Wasserverkehr wie zu DDR-Zeiten auch künftig nicht geben werde, bestätigt Thomas Menzel, Leiter der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordost. In diesem Moment taucht ein Güterschiff vor den Panoramafenstern auf. „Das ist aber nicht bestellt worden“, schmunzelt er. Der Transport erfolge heute auf weniger, dafür aber größeren Schiffen. Man müsse sich europäischen Standards anpassen, schließlich liege die Havel inmitten des EU-Wasserstraßennetzes – und auf dem seien mittlerweile Transporter auch aus Asien und Amerika unterwegs. Schließlich plane man für die nächsten 80 Jahre. Menzel verweist auch auf eine ökologische Leistung des Havelausbaus: Durch die Abgrabungen im Flussbett würde viel belastetes Material zutage gefördert werden, Sedimente, die vor Jahren aus Berlin herausgespült wurden und nun umweltgerecht entsorgt werden könnten.

Doch die ökologischen Argumente, so scheint es, haben die Ausbaugegner für sich gepachtet. Winfried Lücking vom Bund für Umwelt und Naturschutz verweist auf die Konsequenzen einer Verbreiterung der Flüsse: Die Verdunstungsfläche wird größer, die Fließgeschwindigkeit verringert sich. „Das Wasser gerät unter Stress.“ Bereits jetzt würde die Spree in einigen Bereichen rückwärts fließen. Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung bestätigt das. Erschwerend hinzu komme der generelle Temperaturanstieg. „Wir haben aber die Möglichkeiten und das Geld, dem zu begegnen.“ Nur werde der Klimawandel im Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 17 nicht berücksichtigt, erinnert sich Cornelia Behm an eine Aussage aus dem Bundesverkehrsministerium.

Es ist soweit: die „Königswald“ biegt in den Sacrow-Paretzer Kanal ein. Enten und Haubentaucher lassen sich von den Gästen nicht stören, ein Graureiher zieht seine Kreise. Das Südufer ist gesäumt von Anglern. „Wenn hier elf Meter breite Schiffe aneinander vorbeifahren sollen, wird man so etwas nicht mehr sehen“, befürchtet Wolfgang Grittner. Der Kanal soll für solche Begegnungsfälle ausgebaut werden. Doch dass diese bei momentan sechs Schiffen am Tag tatsächlich eintreten, wäre nicht nur für ihn überraschend.

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