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Der Potsdamer Rathauschef war vor 39 Jahren selbst auf Utöya – als Betreuer für 600 Kinder und Jugendliche.

© Manfred Thomas

Stadtwerke-Affäre: Für Härtig ist Jakobs „Teil des Problems“

Der Potsdamer Rathauschef Jann Jakobs will von einer Bespitzelung des früheren Entwicklungsträgerchefs im Auftrag von Ex-Stadtwerkeboss Paffhausen nichts gewusst haben. Volker Härtig dagegen spricht von „mafiotisch anmutenden Praktiken".

Stand:

Eigentlich hatte das jüngste Opfer der Spitzel-Affäre um die Stadtwerke und ihren Ex-Manager Peter Paffhausen mit dem Kapitel Potsdam in seiner Karriere schon lange abgeschlossen. „Das überrascht mich nicht“, sagte Volker Härtig, Jahrgang 1956, heute Projektentwickler in Berlin, der von 1993 bis 2003 Geschäftsführer des Entwicklungsträgers Bornstedter Feld war, am Donnerstag zu den jüngsten Enthüllungen. Er fasste sie knapp zusammen: „Mafiotisch anmutende Praktiken.“ Zuvor hatte er erstmals von den PNN erfahren – nicht von seinem früheren Arbeitgeber –, dass nach dem Gutachten der Frings-Kanzlei im Auftrag von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) Stadtwerkechef Paffhausen auch ihn über einen Sicherheitsdienst hatte ausforschen lassen, in Geschäftspraktiken und privaten Vermögensverhältnissen. Nach dem heutigen Pro-Potsdam-Chef Horst Müller-Zinsius ist Härtig damit der zweite vom damaligen Stadtwerkechef bespitzelte Manager eines Stadt-Unternehmens. Und nun gerät Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) unter Druck.

Jakobs will keine Kenntnis von der Ausforschung Härtigs gehabt haben, die in sein erstes Amtsjahr als Stadtoberhaupt fällt. Auf PNN-Anfrage erklärte das Rathaus, das „zu den Veröffentlichungen über das Frings-Gutachten keinen Kommentar“ unter Verweis „auf nicht-öffentliche Sitzungen von Aufsichtsräten und Stadtverordneten“ abgeben wollte, lediglich: „Der Oberbürgermeister hat zu keinem Zeitpunkt von ,Bespitzelungen’ von wem auch immer gewusst.“ Das bezweifelt Härtig. Er habe schon 2003 aus der Stadtverwaltung Hinweise auf Bepitzelungen erhalten. Das Dementi von Jakobs sei für ihn „unglaubwürdig“. Nach seinen Erfahrungen seien Jakobs und auch Finanzdezernent Burkhard Exner (SPD) „Teil des Problems“. Dass er sich als Chef des Entwicklungsträgers Paffhausen zum Feind gemacht hatte, war Härtig nach eigenen Worten allerdings schon damals bewusst, und auch der Grund dafür: Er habe dafür gesorgt, dass die Stadtwerke mit einer Ausnahme nicht für die Vergabe lukrativer Erschließungsaufträge für das Entwicklungsgebiet im Norden zuständig wurden, sagt Härtig. Das bestätigt das Frings-Gutachten. Sein damaliges Motiv erklärt Härtig, der vor der Wende für die Grünalternative Liste (AL) im Berliner Abgeordnetenhaus saß, so: „Es war bekannt, dass bei Tiefbauaufträgen der EWP auffällig oft Firmen zum Zuge kamen, die zur Thymian-Gruppe gehörten.“ In der Angelegenheit hatte nach einem Fernsehbericht des RBB-Magazins „Klartext“ vom Dezember 2002 die Staatsanwaltschaft gegen Paffhausen ermittelt. Das Verfahren wurde eingestellt.

Offenbar war das Ganze aber der Anlass dafür, dass Paffhausen im Jahr 2003 die Firma UP-Sicherheitsmanagement des früheren Stasi-Mitarbeiters Uwe Petzold auf Härtig angesetzt hatte. Er hatte den Verdacht, dass Härtig den RBB mit Interna gespickt hatte. Der Frings-Bericht sieht das Vorgehen zwar als strafrechtlich sauber von der unternehmerischen Freiheit gedeckt, und „keine Hinweise auf unvertretbares Handeln“. Politisch liegt der Fall anders. Dass Paffhausen sich laut Frings-Expertise vor dem Spitzel-Auftrag vom Rechtsanwalt Joachim Erbe beraten ließ, lässt Kommunalpolitiker die Frage nach der Rolle von Jakobs aufwerfen. Die CDU-Kreischefin und Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche fordert Aufklärung. Und sie fragt: „Wieso wollte Jakobs Erbe, der anscheinend Paffhausen im Zuge der Ausspähung anderer städtischer Gesellschaften beriet, zum Aufklärer der Affäre machen?“ Dies werde „kaum ein Zufall“ gewesen sein. Das Rathaus wiederum erklärte, dass Jakobs nicht bekannt war, dass Erbe die Stadtwerke/EWP in Sachen UP-Sicherheitsmanagement beriet und auch nicht, dass Erbe andere Engagements bei den Stadtwerken hatte.

Wenn es stimmt, ist das ein Politikum, und wenn nicht, dann auch: Denn Erbe hatte im Auftrag von Jakobs damals intern die Vorwürfe um die Thymian-Vergaben gegen Paffhausen geprüft, und er war von ihm im Dezember 2010 zunächst mit der Aufklärung der Spitzel-Affäre beauftragt worden. Dies wurde rückgängig gemacht, als bekannt wurde, dass die Erbe-Kanzlei Paffhausen im Ermittlungsverfahren vertreten hatte. Laut Frings-Gutachten gab es nach der „Klartext“-Sendung Ende 2002 und der Erbe- Prüfung ein Spitzen-Gespräch zu dem Fall, mit am Tisch saßen Paffhausen, Erbe und Oberbürgermeister Jakobs.

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