
© Manfred Thomas
Landeshauptstadt: Für perfekte Drehmomente
„Der Turm“ ist für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Szenenbildner war der Potsdamer Lars Lange
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Ein gutes halbes Jahr hatte die Wohnungssuche gedauert. In mehreren Städten waren die Location-Scouts im Sommer 2011 unterwegs, auch Lars Lange selbst suchte nach einem passenden Drehort. Am Ende zog „Familie Hoffmann“ für die Verfilmung von Uwe Tellkamps Roman „Der Turm“ in einen leer stehenden Altbau in Görlitz. Die Suche nach perfekten Arbeitsbedingungen für das Drehteam hat sich gelohnt: Für den erfolgreichen Fernsehzweiteiler, auch für das Bühnenbild des Potsdamers Lars Lange, gab es im April 2013 den Adolf-Grimme-Preis.
„Von der Nominierung wusste ich nichts, ich war total überrascht“, sagt Lange. Für den 44-jährigen Szenenbildner ist es die erste große Auszeichnung, und weil der Grimmepreis von einem unabhängigem Gremium vergeben wird, habe es ihn besonders gefreut, sagt er. In wenigen Tagen, am 2. Oktober, wird der Deutsche Fernsehpreis verliehen. Und wieder ist „Der Turm“ nominiert.
Lars Langes Ausbildung und Werdegang nach der zehnten Klasse haben erst mal nichts mit Film zu tun, mit Wohnungen schon. „Ich war Punk und in der Hausbesetzerszene, solide Handwerksberufe waren bei uns beliebt“, sagt Lange. Nicht wenige lernen damals den Tischlerberuf, auch Lars Lange. Er macht eine Ausbildung bei der Kommunalen Wohnungsverwaltung in Kleinmachnow. Das bedeutete Fenster und Türen bauen und viel improvisieren. Weil er sich hier nicht weiterbilden kann, kündigt er bei der Wohnungsverwaltung – zu DDR-Zeiten ein Unding. Als ihm das Geld ausgeht, arbeitet er zwischenzeitig sogar für wenige Monate als Tischler bei der NVA. „Ich kam in Lederjacke und mit Ohrringen, die marschierten in Uniform“, sagt Lange amüsiert. Die Koexistenz hält nur wenige Monate. Dann bewirbt er sich spontan als Requisiten-Helfer bei der Defa und wird genommen. „Vom Film hatte ich damals keinen blassen Schimmer“, sagt Lars Lange.
Das machte aber nichts: Sein erster Job ist es, für den Film „Pause für Wanzka“ Etiketten auf alte Bierflaschen zu kleben. Viele Filme und Serien hat er seitdem betreut, als Außen- und Innenrequisiteur, und ist mittlerweile selbstständiger Szenenbildner. Das Heranschaffen des zur jeweiligen Epoche passenden Kaffeeservices war ihm auf Dauer nicht genug.
Heute arbeitet Lars Lange viel am Rechner, nutzt 3-D-Visualisierungsprogramme, die den Drehort aus allen Perspektiven zeigen. Zuvor hat er sich mit dem Regisseur über Skript und Umsetzung ausgetauscht. Was soll inhaltlich transportiert und wie kann es technisch umgesetzt werden? Ort und Personen, Fahrzeuge, Tiere, Kameraeinstellungen, Wetter – und letztlich das Budget des Produzenten muss Lange im Blick behalten. Vor allem braucht er Gespür, ob am Drehort diese gewisse Stimmung entstehen kann, in der das Bühnenbild sogar zur Nebensache wird. „Es sollte die Geschichte unterstützen und sich nicht in den Vordergrund drängen und den Zuschauer erschlagen“ , sagt Lange.
Die Wohnung in Görlitz hat er sich eine ganze Weile angeschaut: Wie ist die Atmosphäre, wie werden sich die Charaktere darin im Laufe der Zeit bewegen und entwickeln, hat er sich gefragt. „Ich kenne ja das Drehbuch und habe die Szenen vor Augen“. Auch öffentliche Orte muss Lange inspizieren, für den „Turm“ wurden auch Kasernen, ein Krankenhaus und ein Bahnhof gebraucht. Stundenlang hat er den Dresdner Bahnhof besichtigt, der es dann geworden ist.
Gerade haben die Dreharbeiten zu einem neuem Film begonnen: wieder mit Regisseur Christian Schwochow, mit dem Lange beim „Turm“ bereits zusammengearbeitet hat. „Bornholmer Straße“ heißt der Neue, eine Tragikomödie über die Öffnung des gleichnamigen Grenzübergangs in der Nacht des neunten November 1989, erzählt anhand der Person des Oberstleutnant Harald Schäfer, der eigenverantwortlich entscheiden muss, ob er die Grenze öffnet. Für die Dreharbeiten mussten, 25 Jahre nach der Wende, wieder Grenzübergänge her. „Wir drehen in Berlin an der Swinemünder Brücke, am alten Grenzübergang Marienborn und in Wanzleben“, sagt Lange. In der Kleinstadt in der Magdeburger Börde wurde ein Set mit einem Grenzübergang aufgebaut, den Lange am Rechner entworfen hat. Manchmal baut er auch ein richtiges Modell, auf das alle Beteiligten gleichzeitig schauen können, auch den Grenzübergang gibt es aus Pappe. Im Vorfeld hat er in der Berliner Stasiunterlagenbehörde recherchiert, viele Fotos von alten Anlagen gesichtet. Er habe die Wende zwar selbst erlebt, sagt Lange, aber das sei nicht entscheidend, ob man ein gutes Bühnenbild entwerfen kann. „Dann könnten wir ja keine historischen Filme machen.“
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