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Landeshauptstadt: Für „Verbrecherfotos“ ins Licht gedreht

Leiden der Opfer des Stalinismus ab 21. Februar in neuer Ausstellung in der Lindenstraße dargestellt

Stand:

Mit der Hand setzen die Besucher im ehemaligen KGB- und Stasiuntersuchungsgefängnis Lindenstraße 54 die Hörstation in Gang: Peter Runge schildert seine Verhaftung im Mai 1946, nachdem Einstein-Schüler auf der Demonstration zum Protest gegen die undemokratische Entwicklung in Ostdeutschland weiße statt roter Nelken angesteckt hatten. Die Hörstation bildet mit zwei Häftlingszellen, einem Opfer-, einem Archivraum jenen Teil der neuen Dauerausstellung, in der das Schicksal der zwischen 1945 und 1952 vom KGB verfolgten, zu Lagerstrafen oder zum Tode verurteilten Potsdamer und Brandenburger dargestellt wird.

In weiteren fünf Räumen wird auf die Stasizeit ab 1952 eingegangen. Hier sieht der Besucher auch eine originale „Fotozelle“, in der eine simple Mechanik den Stuhl mit dem Häftling ins Scheinwerferlicht drehte, um in von allen Seiten für die „Verbrecherkartei“ abzulichten. Mit optischen Effekten wird ein Raum in den Blick gerückt, in dem die Inhaftierten ihre Zivilkleidung gegen ausrangierte Armeeklamotten tauschen mussten.Sie erhielten ein Unterhemd und eine -hose, ein Paar Socken, ein Taschentuch und ein Kamm.

Am 21. Februar wird die neue Dauerausstellung eröffnet, deren Konzept Kuratorin Dr. Gabriele Schnell gemeinsam mit Dr. Hans-Hermann Hertle vom Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) Potsdam erarbeitet hat. Es wird jetzt durch Stefan Charné von der Agentur „freybeuter“, gestalterisch umgesetzt. Dabei werden Fantasie und Findigkeit gefordert, denn die Möglichkeiten sind bescheiden. Die Stiftung „Aufarbeitung“, das Kulturministerium, die Sparkassenstiftung, die Stadt Potsdam und einige Vereine haben rund 60 000 Euro zur Verfügung gestellt.Zum Vergleich: Das Museum im ehemaligen Notaufnahmelager für DDR-Flüchtlinge Berlin-Marienfelde erhielt dagegen 1,3 Millionen Euro.

Hinzu kommt, dass die Potsdamer einen „Vernehmerraum“ nicht im Original zeigen können, weil er von der im gleichen Gebäude sitzenden Denkmalbehörde genutzt wird. Schnell und Hertle haben die finanziellen und räumlichen Probleme auf bemerkenswerte Weise gelöst. So zieht sich ein „Band des Erinnerns“ mit den Namen der Opfer durch die gesamte Ausstellung, das an auch detailliert auf Einzelschicksale eingeht. Aufsteller auf den Höfen und den Fluren informieren den Besucher, dass bei den Verurteilunggründen „Republikflucht“, „Spionage“ und „staatsfeindliche Hetze“ an der Spitze standen. Offengelegt wird ebenso die Struktur des Stasi-Apparats, ohne allerdings Täter namentlich zu nennen.

Trotz der Beschränkungen gehen Schnell und Hertle davon aus, dass die Ausstellung einen erheblichen Fortschritt darstellt. „Bisher verließen die Besucher das Gefängnis mit einem unbestimmten Gefühl des Grauens, künftig können sie das Geschehen in die historischen Zusammenhänge einordnen“, erklärt die Kuratorin. Schnell steht mittlerweile mit mehr als 100 Opfern der KGB-Zeit in Kontakt. Von ihnen erhofft sie sich neue Erkenntnisse, die die Ausstellung noch erweitern könnten.

Hertle erwartet, dass für die Betreuung der Ausstellung und die weiteren Forschungsarbeiten bald eine Personalstelle eingerichtet wird. Ebenso seien eine verbesserte Werbung vonnöten. Auch habe das Potsdam-Museum sein Versprechen bisher nicht eingelöst, die Gedenkstätte ab Januar wöchentlich fünf statt bislang nur drei Tage zu öffnen. Dies soll jedoch spätestens bis zur Ausstellungseröffnung geschehen. Zudem werden die Veranstaltungen im Vortragssaal des Gebäudes fortgesetzt und intensiviert. Hier hat Schnell einen von ihr aufgefundenen Plan aufgehängt, der leider in der Ausstellung nicht mehr untergebracht werden konnte. Er zeigt an den Fenstern Schützenplätze, von denen aus das Gebäude militärisch verteidigt werden sollte. Als die Bürgerbewegung im Dezember 1989 den Zutritt zum Stasigebäude erzwang, kam es dazu glücklicherweise nicht mehr. E. Ho.

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